Edelmetalle Aktuell
25.08.2011 | Wolfgang Wrzesniok-Roßbach (Heraeus)
Manchmal ist nichts so alt wie die Zeitung von gestern …
Nach der Abfassung des Berichts sind die Edelmetallpreise gestern Abend noch einmal dramatisch unter Druck geraten. Das im Bericht über Gold als mögliches Kursziel genannte Niveau von 1750 $ wurde dabei nicht nur erreicht, sondern heute morgen mit einem Tief von 1730 $ sogar noch unterschritten. Silber lag heute Morgen zeitweise bei “nur noch“ 39,30 $, Platin bei 1802 $ und Palladium bei 747 $. Von diesen Tiefstkursen haben sich alle Metalle seitdem aber schon wieder etwas erholt.
Die im Text beschriebenen Konsequenzen eines zum Zeitpunkt der Abfassung nur als Möglichkeit ins Auge gefassten Kursrutsches haben sich durch dessen überraschend schnelles Eintreten aber nicht geändert.
Gold
Die letzten Wochen hielten für den Goldpreis viel Licht und auch ein wenig Schatten parat. Aber der Reihe nach: In den August startete das Metall bei Preisen beiderseits der Marke von 1.620 $ je Feinunze. Die Einigung im Streit um die Anhebung der Verschuldungsgrenze in den USA brachte dann eine kurze Verschnaufpause. Was danach folgte, war der Start zu einer beinahe beispiellosen Rally des Goldpreises. Zunächst waren es Meldungen aus Südkorea, die dem Gold Auftrieb gaben. Die dortige Zentralbank gab bekannt, dass sie in den zwei vorhergehenden Monaten über 1,2 Milliarden Dollar für den Kauf von 25 Tonnen Gold aufgewendet habe.
Es war der erste Kauf der Südkoreaner seit über einer Dekade. Mit jetzt gerade einmal 39,4 Tonnen sind die Goldreserven des Landes auch für asiatische Verhältnisse aber noch immer weit unterdurchschnittlich. China hat zum Beispiel durch die jüngsten Käufe jetzt 1.054, Japan 765 und Indien 558 Tonnen. Als Begründung für den Kauf gaben die Koreaner bekannt, dass Gold als Investment auf dem hohen Preisniveau zwar nicht sehr lukrativ aussehe, dass der Kauf aber angesichts von auf 300 Mrd. Dollar gestiegenen Devisenreserven trotzdem richtig sei. Das neu gekaufte Gold werde, so die Koreaner in einer Stellungnahme zu dem Kauf bei der Bank von England eingelagert, um es ggf. auch für Finanzmarktgeschäfte wie z.B. Leihen nutzen zu können.
Das World Gold Council teilte in seinen neu veröffentlichten Zahlen zum Goldabsatz mit, das nicht nur die Koreaner auf der Käuferseite standen. Insgesamt hätten Zentralbanken in den ersten sieben Monaten 180 Tonnen Gold gekauft und damit die Gesamtzahl für 2010 um mehr als Doppelte übertroffen.
Die Bank von England als eine der wichtigsten Lagerstellen für Zentralbankgold rückte in den letzten Wochen gleich noch ein zweites Mal in den Fokus: So gab Venezuelas Präsident Chávez bekannt, dass man die bei europäischen und US-Banken lagernden Goldreserven im Wert von elf Milliarden Dollar ins Land zurückzuholen wolle. Der Rückruf des Goldes diene dem Schutz des Landes vor den wirtschaftlichen Problemen in den USA und Europa, sagte Chávez.
Insgesamt verfügt Venezuela über 366 Tonnen Gold (Platz 15 der “Weltrangliste“, wovon rund 60 Prozent im Ausland lagern würden. Nach einem Bericht des venezolanischen Finanzministers liegt fast die Hälfte dieses Goldes bei der Bank von England, ein weiterer Teil bei diversen Banken in Nordamerika und Europa (gemeint ist damit vermutlich verliehenes Gold).
Wenn schon die Zentralbanken mit dem Verweis auf die Schulden– und Währungskrise Gold kaufen, oder zumindest nach Hause in die eigenen Tresore holen, ist es privaten und institutionellen Anlegern kaum zu verdenken, dass sie auch einen Teil ihres Vermögens in dem gelben Metall anlegen wollen.
Und so kam es dann auch in den letzten Wochen: Sowohl im physischen Bereich, also bei Münzen und Barren, wie auch bei den börsengehandelten Produkten gab es zeitweise geradezu einen Run auf Gold. Dabei wurden in den letzten vier Wochen fast 100 Tonnen Gold in Form von ETFs gekauft und erst gestern setzte eine deutliche Zurückhaltung ein, hervorgerufen sicher durch die Gewinnmitnahmen angesichts eines exorbitant gestiegenen Preises. Die Spekulanten hatten zuvor den Anstieg des Goldpreises zum Teil verpasst; ihre Positionen an der New Yorker Terminbörse sanken in den letzten vier Wochen unter allerdings sehr starken Tagesschwankungen per Saldo um etwas über 15 Tonnen. Allerdings halten sie noch immer fast 1.000 Tonnen Gold; diese Zahl wird inzwischen von den weltweiten ETF-Beständen, die bei knapp 2.200 Tonnen und damit einem Rekordniveau liegen, deutlich übertroffen.
Das breit gefächerte Interesse brachte dem Gold in den letzten vier Wochen - wenn auch unter einigen Schwankungen - immer wieder neue Rekorde und in der Spitze erreichte das Metall am 22. August die Marke von 1.911,85 $ je Unze. Natürlich war dies gleichzeitig auch ein neues Allzeithoch.
Fast 300 $ Kursgewinn in nur einem Monat und davon fast 100 $ rund um das vergangene Wochenende waren am Ende aber zu viel des Guten. Die an dieser Stelle sicher berechtigte Angst vor einer Blasenbildung nahm denn auch bei Anlegern in den letzten Tagen deutlich zu.
Entsprechend stiegen die Gewinnmitnahmen, und auch auf der Nachfrageseite war ein deutliches Minus zu verzeichnen. Händler berichteten, dass bei Barren und Münzen inzwischen genauso viele Verkäufer wie Käufer zu ihnen kämen.
Der Goldpreis konnte sich diesem teilweisen Liebesentzug der Anleger nicht entziehen und fiel gestern innerhalb von nur 24 Stunden um fast 100 $ zurück, wobei er sich in den letzten Stunden dann knapp unter der Marke von 1.850 $ je Unze stabilisierte.
Ist die Hausse damit nun grundsätzlich vorbei? Davon ist angesichts des Fortbestehens der meisten Gründe für den Goldpreisanstieg der letzten Monate nicht auszugehen. So ist z.B. die Schuldenkrise in den USA ja durch die Einigung von Präsident und Kongress nicht beseitigt, sondern vielmehr ihre Verschlimmerung legalisiert worden. Außerdem steht das Versprechen des US-Notenbankchefs im Raum, die Zinsen auch für die nächsten Jahre auf dem aktuellen, historisch niedrigen Niveau zu belassen. Und in Europa sieht es, was die Schuldenprobleme angeht, kaum besser aus; von Japan, das wegen seines hohen Haushaltsdefizits und seines Schuldenstands erst heute von Moody‘s herabgestuft wurde, gar nicht zu reden. Hinzu kommen aus China immer wieder Berichte über eine mehr und mehr ansteigende Inflation,; dies ist der gleiche Grund, warum auch die Inder wieder verstärkt Gold kaufen.
So gesehen ist die momentane Beruhigung des Marktes wohl nur eine vorübergehende Episode, die allerdings, bevor sie vorbei ist, durchaus auch erst noch einmal tiefere Kurse bringen könnte. Charttechnisch wäre dabei selbst ein kurzfristiger Preisrückgang auf 1.750 $ kein Drama: Der Aufwärtstrend bliebe noch immer intakt.
Weitere Meldungen vom Goldmarkt finden sich aus Platzgründen unter den Links, so zu der Forderung von Ministerin von der Leyen nach Goldverkäufen durch die europäischen Schuldenstaaten (diese fiel zusammen mit dem gestrigen Preisverfall, dürfte diesen aber nicht groß beflügelt haben), sowie eine Zusammenfassung der neuesten Marktdaten des World Gold Councils.
Silber
Natürlich färbte am Ende der Erfolg des Goldpreises auch auf das Silber ab, allerdings waren hier, wie fast immer, die Preisschwankungen im Handelsverlauf deutlich stärker. Der Monat begann auf einem Niveau knapp unter der 40 $-Marke und ein erster Anlauf nach oben endete schon nach vier Tagen ziemlich abrupt bei 42,25 $ je Unze.
Innerhalb von nur zwei Stunden fiel das Metall danach um fast 7 Prozent. Händler machten Spekulanten für den Preisverfall verantwortlich, die angesichts eines ebenfalls fallenden Aktienmarktes Bargeld für notwendige Margenzahlungen gebraucht und deshalb andere Handelspositionen wie jene in Silber aufgelöst hätten. Zusätzlich unter Druck stand das Silber in dieser Situation aber auch durch seine Rolle als Industriemetall, weil einmal mehr schlechte Nachrichten über die konjunkturelle Situation in den USA veröffentlicht wurden. Das wiederum war sicher auch eine Ursache für den beschriebenen Aktienpreisverfall.
Im weiteren Verlauf stieg das Silber dann massiv an, konjunkturelle Sorgen traten dabei in den Hintergrund und die Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems nach vorne. Am Ende reichte es für etwas mehr als 44 $, aber so wie Silber mit dem Gold zeitweilig gestiegen war, so schnell fiel es in den letzten Stunden zusammen mit diesem wieder.
Mit aktuell rund 42 $ liegt es aber weiter auf hohem Niveau und da der Anstieg der letzten Wochen deutlich gesitteter als jener im Mai verlaufen ist, ist auch die Gefahr eines massiven Rückschlags unserer Meinung nach überschaubarer. Preise unter 37 $, wenn sie überhaupt in nächster Zeit erreicht werden sollten, dürften von Silberbullen so auch eher als Kaufgelegenheit betrachtet werden, denn als Grund zur Panik.
Platin
Der Glanz des Goldes färbte in den letzten Wochen über weite Teile auch auf das Platin ab. Dass es so weit kommen würde, war am Anfang dabei gar nicht absehbar. Zunächst fiel das Platin nämlich zusammen mit dem Silber überdurchschnittlich, als aus den USA negative Nachrichten aus der Wirtschaft und von den Aktienmärkten kamen.
Die Flucht der Anleger aus vermeintlich eher risikoreicheren Anlagen war dabei der Haupttreiber für den Rückgang der Notierung von rund 1.790 $ auf zeitweise nur noch 1.680 $ je Unze. Wie sich im Nachhinein zeigte, war dies aber ein günstiger Einstiegpreis, denn die Notierung des weißen Metalls stieg danach bis zum Beginn dieser Woche kontinuierlich an und erreichte am Montag mit fast 1.900 $ je Unze den höchsten Stand der letzten drei Jahre. Der Anstieg geschah dabei sicher weniger aus eigenem Antrieb, nicht zuletzt weil sich die konjunkturellen Erwartungen weltweit eher wieder eintrüben.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass es Anleger waren, die dem Metall angesichts des fulminanten Goldpreisanstiegs noch Nachholbedarf zubilligten. Trotz der deutlichen Erholung gab es nicht nur Licht auf dem Platinmarkt, sondern auch Schatten: Zeitweise notierte das Metall nämlich unter dem noch stärker gestiegenen Goldpreis, zuletzt hatte es eine solche Situation für kurze Zeit im Jahr 2008 gegeben. Angesichts des für Gold langfristig sehr günstigen Umfelds schließen wir nicht aus, dass sich der Goldpreis diesmal sogar auf Dauer über der Platinnotierung festsetzen könnte, auch wenn für den Moment durch des gestrigen Goldpreisverfall die alte Reihenfolge wieder hergestellt wurde.
Was den industriellen Absatz angeht, gab es in den letzten Wochen gemischte Nachrichten von den internationalen Automobilmärkten, die für die nächsten Wochen und Monate eine weitere Eintrübung erwarten lassen.
In Europa sanken die Neuzulassungen im Juli leicht um 2% auf 1,056 Mio. Fahrzeuge. Für den Zeitraum von Januar bis Juli beträgt das Minus ebenfalls 2%, wobei es vor allem der deutsche Markt war, der zu den teils massiven Einbrüchen in anderen Ländern (Spanien -24%, Italien -13%, Großbritannien -6,7%) ein Gegengewicht bilden konnte.
Auch in den USA drücken die schlechte konjunkturelle Lage und der Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze auf den Autoabsatz. Im letzten Monat stiegen die Gesamtverkäufe im Vergleich zum Juli 2010 gerade ein mal um noch 1 Prozent auf 1,06 Mio. Fahrzeuge an. Immerhin liegt der US-Markt aber für das bisherige Gesamtjahr noch mit fast 11% im Plus.
Ein Plus in gleicher Höhe, allerdings nur für Juli im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat, gab es auch in China. In den ersten acht Monaten dieses Jahres legten die Neuwagenverkäufe in China um 10% zu. Damit fällt das Wachstum niedriger aus als im vergangenen Boom-Jahr. Als Begründung nennen Branchenvertreter das Auslaufen staatlicher Prämienprogramme sind und den Versuch von Regionalregierungen, mit Zulassungsbeschränkungen dem Verkehrschaos im Land Herr zu werden.
Palladium
Der Verlierer des Monats ist das Palladium. Dieses konnte an die Erfolge vom Juli und von Anfang August, als es kurzzeitig auf über 840 $ je Unze gestiegen war und damit auf den höchsten Stand seit Mitte Februar, zu keinem Zeitpunkt mehr anknüpfen.
Getrieben vor allem von Gewinnmitnahmen fiel es bis zum 9. August auf unter 710 $ zurück. Dabei spielten sicher auch die oben beschriebenen Bremsspuren auf den überseeischen Automärkten ein Rolle, denn außerhalb von Europa sind die Märkte vor allem palladiumlastig, was den Einsatz in Katalysatoren angeht.
Analog zu den anderen Metallen konnte das weiße Metall in den zwei Wochen nach dem Absturz zwar wieder zulegen, allerdings hinkte es dabei Gold & Co. deutlich hinterher. Am Ende reichte es nur für Kurse beiderseits der Marke von 760 $ je Unze. Sollten sich die Autoabsatzzahlen in China und den USA in den nächsten Monaten eintrüben, könnte auch das Palladium an Wert verlieren. Ein erstes charttechnisches Warnsignal wäre ein Durchbrechen der Marke von 720 $ je Unze.
Auf lange Sicht hat das Metall sicher die Chance, prozentual wieder besser als Platin abzuschneiden, dazu müsste sich aber das Bild auf den genannten Automärkten wieder bzw. noch mehr aufhellen.
Auch die Investoren sehen das Palladium nicht mehr so positiv. So gab es bei den ETFs in den letzten vier Wochen Rückgaben in Höhe von fast vier Tonnen. Auch bei den Positionen an den Terminbörsen gab es ein Minus, dieses betrug sogar fast sieben Tonnen. Allerdings gab es dabei je nach Woche ein stark unterschiedliches Verhalten der Spekulanten.
Investmentbarren waren in den letzten Wochen etwas mehr gefragt, insgesamt waren die Menge aber niedrig.
Rhodium, Ruthenium, Iridium
Der Handel in den sogenannten kleinen Platinmetallen verläuft weiterhin verhältnismäßig ruhig. Iridium notiert weiter unverändert bei 1.025 $ - 1.075 $ je Unze, Ruthenium leicht abgeschwächt bei 155 $ - 170 $ je Unze.
Lediglich bei Rhodium zog die Nachfrage in den letzten Tagen bedingt durch Käufe von Investoren und industriellen Abnehmern aus Asien an, so dass sich das Metall auf einen Niveau von 1.800 $ je Unze stabilisieren konnte und gegenwärtig bei 1.800 $ - 1.900 $ je Unze notiert.
© Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
Heraeus Metallhandelsgesellschaft mbH
Disclaimer: Die in Edelmetalle Aktuell enthaltenen Informationen und Meinungen beruhen auf den Markteinschätzungen durch die Heraeus Metallhandelsgesellschaft mbH (Heraeus) zum Zeitpunkt der Zusammenstellung. Der Bericht ist nicht für Privatanleger gedacht, sondern richtet sich an Personen, die gewerbsmäßig mit Edelmetallen handeln. Die in diesem Bericht Informationen, Meinungen und Markteinschätzungen unterliegen dem Einfluss zahlreicher Faktoren sowie kontinuierlichen Veränderungen und stellen keinerlei Form der Beratung oder Empfehlung dar, eine eigene Meinungsbildung des Empfängers bleibt unverzichtbar. Preisprognosen und andere zukunftsgerich-tete Aussagen sind mit Risiken und Unwägbarkeiten verbunden und die tatsächlichen Ergebnisse und Entwicklungen können erheblich von den geäußerten Erwartungen und Annahmen abweichen. Heraeus und/oder Kunden können Transaktionen im Hinblick auf die in dieser Ausarbeitung genannten Produkte vorgenommen haben, bevor diese Informationen veröffentlicht wurden. Infolge solcher Transaktionen kann Heraeus über Informationen verfügen, die nicht in dieser Ausarbeitung enthalten sind. Heraeus übernimmt keine Verpflichtung, diese Informationen zu aktualisieren. Diese Ausarbeitung dient ausschließlich der Information des jeweiligen Empfängers. Sie darf weder in Auszügen noch als Ganzes ohne schriftliche Genehmigung durch Heraeus vervielfältigt oder an andere Personen weitergegeben werden. Die in dieser Ausarbeitung enthaltenen oder ihr zugrundeliegenden Informationen beruhen auf für zuverlässig und korrekt gehaltenen Quellen. Heraeus haftet jedoch nicht für die Richtigkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit der Informationen sowie für etwaige Folgen ihrer Verwendung. Ferner übernimmt Heraeus keine Gewähr dafür, dass die genannten Preise tatsächlich erzielt worden sind oder bei entsprechenden Marktverhältnissen aktuell oder in Zukunft erzielt werden können.