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Der globale Stahlmarkt im Umbruch

16.12.2008  |  Sven Streitmayer
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Wachstumstreiber China ebenfalls unter Druck

Zwar zeigten die chinesischen Stahlpreise nach fünfmonatiger Talfahrt zuletzt so etwas wie ein erstes Lebenszeichen (Warmwalzstahl: +11% in der ersten Dezemberwoche). Eine nachhaltige Trendwende lässt sich u.E. daraus nicht ableiten. Denn auch beim weltweit wichtigsten Stahlproduzenten und –verbraucher hat sich das konjunkturelle Klima in den letzten Monaten spürbar abgekühlt. Dies schlägt sich am stärksten im Außenhandel der Volksrepublik nieder. Nach einem bereits schwachen Vormonat verzeichneten die chinesischen Exporte von Stahl und Stahlprodukten im November einen Einbruch von 36% ggü. Oktober auf nur noch knapp 3 Mio. t. Zum Vergleich: im Rekordmonat August lagen die Stahlausfuhren Chinas noch bei rund 7,4 Mio. t. Auf der Produktionsseite schaut man dem Nachfragerückgang bei den wichtigsten Abnehmern für chinesischen Stahl (Südkorea und Japan) derweil nicht tatenlos zu. So wurde die Rohstahlproduktion im Reich der Mitte seit Juni bereits um rund 24% - und damit deutlich stärker als im Rest der Welt - auf nunmehr knapp 36 Mio. t p.M. zurückgefahren.


Feuerprobe für Stahlterminhandel an der LME

Seit Februar (elektronischer Handel) bzw. seit April (Parketthandel) 2008 wird Stahl (Baustahl/Billets) an der weltgrößten Metallbörse, der London Metal Exchange (LME) gehandelt. Sollte sich der lange diskutierte und insbesondere von den Stahlherstellern kritisch beäugte Stahlterminhandel am Markt durchsetzen, würde dies eine Zäsur für den 600 Mrd. USD schweren Stahlmarkt bedeuten. Auf welch turbulentes Umfeld die Einführung der LME-Stahlkontrakte traf, zeigt der Blick auf die Preisentwicklung der beiden regional differenzierten Stahlfutures seit der Handelsaufnahme vor 10 Monaten. Von Ende Februar bis Ende Juni verteuerte sich LME-Stahl (Region Mittelmeerraum) um rund 70% auf knapp 1.300 USD/t. Mit dem Nachfrageeinbruch im zweiten Halbjahr gingen auch die LME-Stahlpreise auf Talfahrt. In den vier Monaten bis Ende Oktober verlor der Mittelmeerkontrakt rund 80% an Wert und markierte bei 255 USD/t den tiefsten Stand seit Beginn des Stahlterminhandels.

Erst die Ankündigung massiver Produktionskürzungen setzte dem rasanten Preisverfall ein Ende und sorgte in den vergangenen Wochen für eine Stabilisierung der LME-Stahlpreise auf niedrigem Niveau. Bemerkenswerterweise bildet die Preisentwicklung der LME-Stahlfutures bereits nach wenigen Handelswochen die Preisentwicklung an den physischen Märkten vergleichsweise gut ab. Eine hohe Korrelation zwischen Terminmarkt und physischem Markt ist unabdingbar, damit der an der LME ermittelte Stahlpreis einen zuverlässigen Referenzwert für alle Parteien darstellen kann.

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Marktliquidität und Akzeptanz nimmt spürbar zu

Eine weitere Erfolgsvoraussetzung für den Terminhandel von Stahl ist die Gewährleistung einer ausreichenden Marktliquidität, damit einzelne Transaktionen möglichst kostengünstig, zeitnah und marktschonend platziert werden können. Wie der Blick auf das monatliche Handelsvolumen zeigt, hat die Liquidität und damit auch die Marktakzeptanz von LME-Stahl insbesondere in der zweiten Jahreshälfte stark zugenommen. So wurden im November insgesamt bereits mehr als 3.000 Lots à 65 t gehandelt, wobei der Löwenanteil davon auf den Mittelmeerkontrakt entfiel. Die Zurückhaltung gegenüber dem Stahlkontrakt für die Region Far East dürfte v.a. auf die Handelsrestriktionen Pekings zurückzuführen sein, die den LME-Stahlmarkt für chinesische Stahlproduzenten und -händler weitgehend unattraktiv gestalten.

Unter dem Strich sind die ersten 10 Monate des Stahlterminhandels an der Londoner Metallbörse aus unserer Sicht durchaus als Erfolg zu werten. Insbesondere mit Blick auf die zentralen Voraussetzungen Preiskonvergenz und Marktliquidität ist der Stahlterminhandel seinem Ziel, einen transparenten und anerkannten Preisbildungsmechanismus für die Stahlindustrie und deren Abnehmer zu schaffen und damit auch die Grundlage für eine effektive Absicherung von Stahlpreisrisiken zu legen, ein gutes Stück näher gekommen.

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Fazit

Nach fünf fetten Jahren ist die Party an den globalen Stahlmärkten zunächst einmal vorbei. Für alle Beteiligten gilt es nun, den Gürtel wieder enger zu schnallen. So dürfte die weltweite Stahlnachfrage im kommenden Jahr erstmals seit einer Dekade wieder rückläufig sein. Eine Abkopplung der stark zyklischen Branche von der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten ist mit Blick auf die ebenfalls geschwächte Konjunkturentwicklung bei den Wachstumstreibern Asiens indessen kaum denkbar. Gleichwohl sollte der Umbruch am Stahlmarkt die Branche weit weniger hart treffen, als es noch vor einigen Jahren der Fall gewesen wäre. Denn nach Jahren der wirtschaftlichen Expansion und der Branchenkonsolidierung gehen die Stahlproduzenten heute deutlich besser gerüstet in die Abschwungsphase als zu früheren Zeiten. Die Steigerungen bei Effizienz und Flexibilität zeigen sich bereits in der schnellen Reaktion der Stahlanbieter auf den Nachfragerückgang. Mit den bisher erfolgten Produktionskürzungen, die sich noch weit in das Jahr 2009 fortsetzen dürften, sollte es u.E. gelingen, übermäßigen Marktüberschüssen entgegenzuwirken und so die Weltmarktpreise für Stahl zu stabilisieren.


© Sven Streitmayer
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart





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