Baumwolle: Kommt jetzt die große Korrektur?


Angebot nicht mehr ganz so erdrückend
Flankiert wurde die Verteuerung von der Erkenntnis, dass die Angebotssituation nicht mehr ganz so erdrückend ist wie in den Jahren zuvor. Wie das US-Landwirtschaftsministerium kürzlich verlauten ließ sollen die Endbestände in der Saison 2009/10 auf 5,6 Millionen Ballen zurückgehen. Hieraus errechnet sich ein Ending Stock to Use Ratio von 39 Prozent. Kein Zweifel: Dieser Wert ist immer noch recht komfortabel, liegt auf der anderen Seite jedoch signifikant unter den Höchstniveaus 2007 und 2008 von 53 bzw. 55 Prozent. Auf globaler Ebene sehen die Experten einen Rückgang der Vorräte von 62 auf 58 Millionen Ballen, was 51 Prozent des jährlichen Verbrauchs entspricht. Mangel an Baumwolle wird daher bis auf weiteres ganz sicher nicht bestehen. Allerdings kann festgehalten werden, dass sich die Angebotssituation doch sichtbar entspannt hat.
US-Ernte möglicherweise schwächer als erwartet
Zudem scheint das “letzte Wort“ in Sachen Ending Stocks noch nicht gesprochen zu sein. Für die Saison 2009/10 erwarten die amerikanischen Experten eine Inlands-Produktion von 13,25 Millionen Ballen. Gegenüber dem Output in der noch bis zum 31. Mai laufenden 2008/09er Saison von voraussichtlich 12,8 Millionen Ballen bedeutet das einen Zuwachs, obwohl die Anbaufläche nicht wesentlich gestiegen ist. Bedenkt an ferner, dass zum 18 Mai erst 42 Prozent der neuen Saat ausgebracht wurde (der fünfjährige Durchschnitt zu diesem Zeitpunkt bewegt sich bei 53 Prozent), ist eine nochmalige Reduzierung der Lagerbestände nicht auszuschließen. Je nachdem ob und in welchem Umfang eine solche erfolgt, könnte das den Preisen einen weiteren Aufwärtsschub verleihen.
Amerikanischer Verbrauch stabilisiert sich
Das Hauptproblem amerikanischer Baumwolle in den zurückliegenden Jahren war der stetig sinkende Verbrauch in den Vereinigten Staaten. Die dortige Textilindustrie schafft es schlicht und ergreifend nicht mehr, sich gegen die asiatische Billiglohn-Konkurrenz zu behaupten. Umso verwunderlicher ist es, dass der Verbrauch im März annualisiert von 3,09 auf 3,14 Millionen Ballen gestiegen ist. Sicherlich wäre es verfrüht von einer generellen Trendwende zu sprechen. Aber einen Boden könnte die Inlandsnachfrage in den Vereinigten Staaten möglicherweise ausgebildet haben.
Hinsichtlich der Exporte herrscht beim US-Landwirtschaftsministerium ebenfalls alles andere als Optimismus vor. Für das gesamte Wirtschaftjahr prognostiziert man ein Minus von stattlichen acht Prozent. Bislang jedoch sind die Ausfuhren um ein Prozent gestiegen. Von daher ist es also durchaus möglich, dass die Nachfrageseite zur Stunde etwas unterschätzt wird. Insgesamt stellt sich die fundamentale Situation bei Baumwolle somit nicht mehr so bärisch wie in den Vorjahren sondern sogar moderat bullish dar.
Saisonalität spricht für Rücksetzer
Nichtsdestotrotz sollten Anleger bei Long-Engagements ein beträchtliches Maß an Vorsicht walten lassen. Immerhin spricht die Saisonalität klar für demnächst erfolgende Rücksetzer. Sein Jahreshoch bildet Baumwolle regelmäßig Mitte Mai aus. Im Anschluss geht es bis Mitte August abwärts. Tendenziell ist der saisonale Preisverlauf bei Baumwolle stark ausgeprägt, so dass dieses Analyse-Instrument nicht unterschätzt werden darf. Bezeichnenderweise kam es zuletzt auch schon zu entsprechenden Kursrückgängen.
Technisch angeschlagen
Technisch präsentiert sich Baumwolle derzeit nach den angesprochenen Rücksetzern etwas angeschlagen, wenngleich der Abwärtstrend seit Sommer letzten Jahres „Geschichte“ ist und sogar der neue Aufwärtstrend seit Anfang März 2009 noch knapp intakt ist. Letzteres dürfte sich aber schon bald ändern. Sowohl der MACD als auch die Stochastik generieren gegenwärtig ein Verkaufssignal und auch der RSI ist im Fallen begriffen und nur noch marginal im bullischen Bereich über 50 angesiedelt. Wird der Aufwärtstrend demnächst gebrochen (wovon wir mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen), dürfte der Markt seine wichtige Unterstützung bei etwa 52 US-Cents testen. Hält diese nicht, drohen Anschlussabgaben bis 48 US-Cents. Tiefer dürfte es auf Grund der Fundamentals eher nicht gehen. Long-Engagements sollten Anleger derzeit in jedem Fall unterlassen. Spekulationen auf fallende Kurse könnten sich hingegen kurz- bis mittelfristig lohnen, auch wenn die Gewinnerwartungen angesichts der Angebots-Nachfrage-Situation nicht allzu hoch angesetzt werden sollten.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de