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Quo vadis Weizen?

03.07.2009  |  Marc Nitzsche (Rohstoff-Trader)
An den Getreidemärkten kam es in den zurückliegenden Handelswochen zu heftigen Abwärtskorrekturen, nachdem die Preise zuvor erkennbar anziehen konnten. Besonders hart hat es dabei Weizen erwischt. Mittlerweile ist das begehrte Korn nicht mehr weit von seinen Tiefs aus dem letzten Dezember entfernt. Grund genug sich den Sektor wieder einmal etwas genauer anzusehen.


Komfortable Versorgungssituation

Unter Berücksichtigung der fundamentalen Rahmenbedingungen waren die jüngsten Kursrückgänge eigentlich überfällig. Denn genau genommen gab es keine handfesten Gründe für den vorangegangenen Anstieg der Notierungen. Immerhin stellt sich die Versorgungssituation im längerfristigen Vergleich überaus komfortabel dar. Zwar sieht das US-Landwirtschaftsministerium laut der Prognose vom 10. Juni die 2009/10er Endbestände nur noch bei 647 Millionen Scheffel nach 669 Millionen Scheffeln in der Vorsaison. Nichtsdestotrotz liegt das erwartete Ending Stock to Use Ratio damit bei 30 Prozent.

In der zurückliegenden Dekade war diese viel beachtete Messzahl nur einmal höher. Auf globaler Ebene sieht es ähnlich aus: Hier rechnen die Experten mit einem Anstieg der Vorräte von 168 auf 183 Millionen Tonnen, was einem Verhältnis zwischen Beständen und Verbrauch von ebenfalls üppigen 28 Prozent entspricht. Kurz gesagt: An Weizen wird aller Voraussicht nach in näherer Zukunft kein Mangel herrschen.


Kaum nennenswerte Ernteausfälle zu befürchten

Verantwortlich hierfür sind vor allem die in vielen wichtigen Erzeugerstaaten tendenziell günstigen Witterungsbedingungen, die kaum nennenswerte Ernteausfälle befürchten lassen. So wurden in den Vereinigten Staaten zur Stunde bereits 40 Prozent des Winterweizens eingebracht. Im Fünf-Jahres-Vergleich bewegt sich dieser Wert am oberen Ende. Zudem werden gegenwärtig 76 Prozent des Frühlingsweizens mit “good to excellent“ bewertet. In der Vorsaison waren es zum jetzigen Zeitpunkt lediglich 74 Prozent. Aber auch in Staaten wie Kanada oder Australien sowie in der europäischen Region haben sich die zeitweilig grassierenden Ängste vor größeren Ertragseinbußen nicht bestätigt.


Rückläufige US-Exporte

Wenig Positives gibt es darüber hinaus auch von der Export-Front zu berichten. Nach Einschätzung der US-Behörden sollen die amerikanischen Weizen-Ausfuhren in der laufenden 2009/10er Saison nicht zuletzt angesichts der überdurchschnittlichen Ernten in den meisten Produzenten-Ländern um elf Prozent fallen. Bislang liegt das Minus gegenüber dem letzten Wirtschaftsjahr jedoch bei 36 Prozent. Getragen wird die Hoffnung primär von der Tatsache, dass US-Weizen mittlerweile wieder erheblich billiger geworden ist.

Auf der anderen Seite muss allerdings bedacht werden, dass die Preise im direkten Vergleich zu Weizen aus anderen Staaten immer noch ziemlich hoch sind. Von daher ist die genannte Prognose unseres Erachtens mit einem nicht unerheblichen Risikofaktor verbunden. Wir halten es für durchaus möglich, dass die Ausfuhren stärker zurückgehen als bisher vermutet. Das hätte dann zwangsläufig weiter steigende Lagerbestände zur Folge, die Druck auf die Notierungen ausüben dürften. Alles in allem kann festgehalten werden, dass die Angebot/Nachfrage-Lage eher für fallende als für steigende Kurse spricht.


Bullische Saisonalität

Zu einem gänzlich anderen Schluss gelangt man demgegenüber, wenn man das Augenmerk auf die Saisonalität richtet. Für gewöhnlich bildet Weizen Ende Juni sein Jahrestief aus. Im Anschluss geht es regelmäßig aufwärts bis Mitte Oktober. Auch wenn der jahreszeitliche Preisverlauf speziell bei Weizen eine nicht zu unterschätzende Aussagekraft besitzt, muss letztlich abgewartet werden, ob dieses Muster auch im aktuellen Wirtschaftsjahr zutrifft. Vor dem Hintergrund des fast schon erdrückenden Angebots sind dahingehend zumindest Zweifel angebracht.


Düstere Charttechnik

Erschwerend kommt hinzu, dass die technische Situation zur Stunde keinen echten Spielraum für die Erwartung steigender Notierungen lässt. Ganz im Gegenteil: Der Juli-Kontrakt ist zuletzt unter seine zentrale Unterstützung bei etwa 520 US-Cents gerutscht. Damit wird ein Test des nächsten Supports bei 500 US-Cents zunehmend wahrscheinlicher, zumal sowohl der MACD als auch der RSI glasklare Verkaufssignale generieren. Da kann es auch nur eingeschränkt beruhigen, dass die Stochastik seit kurzem wieder auf “kaufen“ gedreht hat, zumal der Markt erkennbar unter seinen wichtigen gleitenden Durchschnitten notiert und der Abwärtstrend seit März vergangenen Jahres nach wie vor absolut intakt ist.

Wir wollen nicht ausschließen, dass Weizen im Bereich der genannten 500 US-Cents nicht zuletzt in Anbetracht der Saisonalität einen Boden ausbilden kann. Für übermäßig wahrscheinlich erachten wir diese Annahme jedoch nicht. Von daher müssen wir zur Stunde von Long-Engagements tendenziell abraten - zumindest solange die Bodenbildung mit anschließender Trendwende noch nicht erfolgt ist. Bleibt eine solche aus und fällt der Markt unter die Marke von 500 US-Cents, sind eher Short-Spekulationen eine überlegenswerte Sache.


© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader







Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de
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