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Rohöl: Korrektur bereits beendet?

23.07.2009  |  Marc Nitzsche (Rohstoff-Trader)
Investoren, die zu Jahresbeginn noch davon ausgingen, dass der Ölpreis längerfristig “fertig“ hat, wurden in den zurückliegenden Monaten eines Besseren belehrt. Immerhin stiegen die Notierungen des “schwarzen Goldes“ seit ihrem Wintertief im Bereich von 40 US-Dollar je Barrel zwischenzeitlich auf rund 70 US-Dollar an, bevor es zu einer neuerlichen Korrektur bis auf 60 US-Dollar kam. Von diesem Niveau aus konnte sich der “Schmierstoff der Weltwirtschaft“ zuletzt aber wieder nach oben arbeiten und es stellt sich die Frage, ob die korrigierende Abwärtsbewegung damit bereits beendet ist und Öl vor einer neuen Hausse steht.


Steigende Lagerbestände dank Überangebot

Gegen eine “Mega-Rallye“ spricht zunächst einmal der Umstand, dass der Markt zur Stunde an einem nicht unerheblichen Überangebot leidet. Wurden 2008 lediglich 1,5 Millionen Barrel täglich produziert, die keine unmittelbaren Abnehmer fanden, sind es gegenwärtig 4,4 Millionen Fässer. Von daher stellt es keine allzu große Überraschung dar, dass die amerikanischen Lagerbestände per 10. Juli mit 344,5 Millionen Barrel 17 Prozent über dem Vorjahreswert liegen. Erkennbare Zuwächse bei den Vorräten verzeichneten zudem auch die Öl-Produkte (Benzin, Heizöl, Diesel) sowie die strategische Öl-Reserve der Vereinigten Staaten. Gegenwärtig kann also von den in der Vergangenheit immer wieder gebetsmühlenartig beschworenen Versorgungsengpässen keine Rede sein.


Wachsende Nachfrage ab 2010 prognostiziert

Auf der anderen Seite ist es ein offenes Geheimnis, dass an der Börse die Zukunft gehandelt wird. Und in dieser Hinsicht sieht es gar nicht einmal so bärisch aus: So war von Seiten der Internationalen Energie Agentur unlängst zu hören, dass man für 2010 von einem Nachfrage-Wachstum in Höhe von 1,7 Prozent oder 1,4 Millionen Barrel auf 82,5 Millionen Fässer ausgeht, nachdem der Bedarf im laufenden Jahr um etwa 2,9 Prozent zurückgehen dürfte.

Überdurchschnittliche Zuwachsraten soll es in erster Linie in den Nicht-OECD-Staaten - allen voran China - geben, während man in den etablierten Industrienationen lediglich ein moderates Plus von 0,2 Prozent erwartet. Angesichts der sich abzeichnenden konjunkturellen Erholung in zahlreichen Schwellenländern halten wir diese Vorhersage für durchaus realistisch. Allerdings ist dieses Szenario in den derzeitigen Kursen unseres Erachtens größtenteils bereits eingepreist, so dass wir das weitere Aufwärtspotenzial beim Öl unter Angebot/Nachfrage-Gesichtspunkten gegenwärtig eher für überschaubar halten.

Längerfristig Besorgnis erregend für die “Öl-Bullen“ ist darüber hinaus die Aussage der OPEC, dass es im Jahr 2013 zu einem Überangebot von 6,6 Millionen Barrel pro Tag kommen soll. Trifft diese Vorhersage ein, ist mit Kurssteigerungen ganz bestimmt nicht zu rechnen. Im Gegenteil: Dann wird es das “schwarze Gold“ aller Voraussicht nach schwer haben, das aktuelle Preisniveau zu halten.


Relative Ruhe an der politischen Front

Mit vergleichsweise wenig Unterstützung hinsichtlich steigender Notierungen ist zudem kurzfristig an der politischen Front zu rechnen. Zu einer Eskalation des Iran-Konflikts scheint es wohl eher nicht zu kommen und möglicherweise liegt das Regime in dem Mullah-Staat bereits in seinen “letzten Zügen“. Für den Fall, dass es im Iran in absehbarer Zeit doch zu einer Öffnung gen Westen kommt, wäre das Risiko von Lieferstörungen in dem wichtigen Erzeugerstaat merklich reduziert. In Ländern wie Nigeria muss zwar nach wie vor immer wieder mit Anschlägen auf Fördereinrichtungen gerechnet werden. Allzu große Auswirkungen auf die Versorgungssituation habe solche jedoch nicht. Und auch die postkommunistischen Anwandlungen in Venezuela halten sich gegenwärtig im Rahmen.


Bullische Saisonalität

Bullisch präsentiert sich demgegenüber die Saisonalität. Für gewöhnlich kommt es zwischen August und Oktober zu signifikanten Kursanstiegen, die primär in Hurrikan bedingten Förderausfällen im Golf von Mexiko begründet liegen. Auch wenn bislang in dieser Hinsicht noch nicht allzu viel los war, darf man diesen Gesichtspunkt sicher nicht unterschätzen. Für gewöhnlich erreicht die Hurrikan-Saison ihren Höhepunkt erst Mitte bis Ende September.


Charttechnik impliziert tendenziell Kurssteigerungen

Auch aus charttechnischer Sicht kann mit tendenziell steigenden Notierungen gerechnet werden. Die wichtige Unterstützung bei 60 US-Dollar konnte erfolgreich verteidigt werden und zur Stunde kämpft der August-Future mit seiner 18-Tages-Linie. Die Chancen, dass diese “geknackt“ wird, stehen gar nicht schlecht, zumal die Stochastik bereits ein Kaufsignal generiert und der MACD unmittelbar vor einem solchen steht. Ebenso ist der RSI im Steigen begriffen und nicht mehr weit vom bullischen Terrain über 50 entfernt. Von daher können wir uns vorstellen, dass zumindest der Widerstand bei etwa 73 US-Dollar in den kommenden Wochen erneut getestet wird. Kann diese Marke überwunden werden, könnte es wenigstens bis auf 80 US-Dollar aufwärts gehen. Ob es dazu aber kommt, bleibt abzuwarten. Mutige Anleger können das Eingehen von kurzfristigen Long-Positionen mit Hebel durchaus in Betracht ziehen, wobei ihnen klar sein sollte, dass das Aufwärtspotenzial beim Öl auf dem gegenwärtigen Niveau etwas begrenzt ist.


© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader







Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de
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