Baumwolle: Bullen-Party beendet!?


Anbaufläche erheblich unter den Erwartungen
Hintergrund der wahrlich bemerkenswerten jüngsten Aufwärtsbewegung war die deutlich unter den Erwartungen des Markts gelegene Schätzung der amerikanischen Anbaufläche durch das US-Landwirtschaftsministerium. Rechnete man im April noch mit 12,15 Millionen Acres, belief sich die letzte Vorhersage vom 29. Juni nur noch auf 11,10 Millionen Morgen. Damit lag die Aussaatfläche etwa 600.000 Acres unter den Analysten-Prognosen. Gegenüber der vorherigen Saison bedeuten die gut elf Millionen Morgen ein Minus von 28 Prozent. Weniger Baumwolle wurde zuletzt 1989 gepflanzt. Kein Wunder also, dass die Notierungen stramm gen Norden marschierten.
US-Vorräte alles andere als knapp
Nichtsdestotrotz dürfte die Verteuerung nach unserer Einschätzung ein bisschen zuviel des Guten gewesen sein. Denn zur Mangelware wird Baumwolle vorerst ganz bestimmt nicht. Zwar rechnen die US-Behörden als Folge der geringeren Anbaufläche für ihr Land mit einem Rückgang des Ending Stock to Use Ratios von rund 55 auf nur noch knapp 30 Prozent. Diese Entwicklung mag dramatisch klingen. Dessen ungeachtet bewegt sich das Verhältnis zwischen Endbeständen und Verbrauch mit den genannten 30 Prozent immer noch am oberen Ende der Werte in den zurückliegenden sechs Jahren.
Auch weltweit genügend Baumwolle vorhanden
Auf globaler Ebene dürfte es ebenfalls zu einem Rückgang der Vorräte kommen. Allerdings wird dieser vergleichsweise moderat ausfallen. Am Ende der Saison 2007/08 (31.Juli 2008) erwarten die Experten globale Endbestände von 51 statt 56 Millionen Ballen in diesem Jahr. Das Ending Stock to Use Ratio sieht man bei vergleichsweise komfortablen 40 Prozent. Verantwortlich für die durchaus üppige Versorgungslage ist eine neue Rekordernte in Indien. Und auch in China und Pakistan deutet einiges auf hohe Erträge hin. Zusammen können diese Länder das Minus bei der US-Erzeugung zum Großteil kompensieren.
Amerikanische Exporte als "Damoklesschwert" für "Haussiers"
Als größten Risikofaktor für den Baumwollpreis sehen wir jedoch die amerikanischen Ausfuhren vor allem nach China. In diesem Jahr lagen diese trotz niedriger Preise erheblich unter den Vorhersagen des US-Landwirtschaftsministeriums, was zu einer permanenten Anhebung der Endbestände führte. Die Chinesen kauften lieber indische Baumwolle, obwohl diese ein ganzes Stück teurer war. Ob dieses Phänomen eher auf ideologischen oder auf logistischen Überlegungen basierte, lassen wir einfach einmal dahingestellt. Allerdings muss man sich schon fragen, warum China amerikanische Baumwolle zu 67 US-Cents pro Pound kaufen soll, wenn man die Naturfaser nicht einmal für 50 Cents haben wollte. Für die US-Ausfuhren sind wir daher außerordentlich pessimistisch. Eine Stabilisierung auf dem ohnehin schon niedrigen Niveau können wir uns lediglich für den eher unwahrscheinlichen Fall vorstellen, dass Indien den Großteil seiner Rekordernte angesichts des dynamischen Wirtschaftswachstums selbst benötigt. Ansonsten glauben wir, dass im Hinblick auf die US-Endbestände das "letzte Wort" noch längst nicht gesprochen ist.
Baumwolle derzeit klar überteuert
Fundamental betrachtet ist Baumwolle derzeit daher deutlich zu teuer. In den kommenden vier Monaten können wir uns somit Preisrücksetzer von mindestens zehn Prozent gut vorstellen. Aber auch Notierungen im Bereich von 55 US-Cents halten wir für durchaus möglich. So gesehen ist Baumwolle derzeit ein glasklarer Short-Kandidat.
Technisch deutet sich Trendwende nach unten an
Charttechnisch deutet mittlerweile auch nahezu alles auf fallende Notierungen hin. Positiv ist lediglich zu vermerken, dass der primäre Aufwärtstrend der letzten Monate noch nicht unterschritten wurde. Allerdings hat sich mittlerweile im Bereich von des Widerstands bei 68,50 US-Cents in der Dezember-Lieferung ein neuer Abwärtstrend gebildet, der sich zuletzt beschleunigt hat. Die ehemalige Unterstützung bei etwa 66,10 US-Cents ist "Geschichte".
Der MACD generiert ein Verkaufssignal und auch der RSI (unter 50), das Momentum (unter 100) und der Williams (unter -80) stehen klar auf "sell". Von daher ist es äußerst fraglich, ob der Support bei 63,50 US-Cents hält. Wir rechnen mit einem Unterschreiten dieser Marke. Dann dürfte es zügig in Richtung 60,70 oder sogar 58,90 US-Cents abwärts gehen.
© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de