Angebotsrisiken und Ölpreisboom treiben LME-Aluminium auf 2 ½-Jahreshoch

Ungeachtet der jüngsten Produktionsausweitung und der nach wie vor rekordhohen Lagerbestände haben sich die Aluminiumnotierungen nach schwachem Jahresstart zuletzt wieder zügig befestigt. Seit dem Tief Ende Januar legte LME-Aluminium (Cash) um rund 11% zu und markiert damit beim Stand von aktuell gut 2.600 USD/t ein 2 ½-Jahreshoch. Auf Eurobasis fiel der Preiszuwachs im selben Zeitraum mit knapp 8% auf derzeit 1.840 EUR/t indes etwas schwächer aus. Im Unterschied zu den beiden Vorjahren präsentieren sich die Preise des Leichtmetalls im bisherigen Jahresverlauf (+6%) damit robuster als der Gesamtmarkt (LMEX: +1%).
Angebotsseitige Risiken im Fokus der Marktakteure
Die relative Stärke von Aluminium hat u.E. mehrere Gründe. So erweist sich die Preisentwicklung von Aluminium gerade in allgemein eher schwachen Marktphasen häufig stabiler als die der übrigen NE-Metalle, was sich vermutlich auf den vergleichsweise geringen spekulativen Anteil zurückführen lässt.
Einen wesentlich größeren Preiseffekt messen wir gleichwohl den Unruhen im Nahen Osten und Nordafrika sowie dem damit einhergehenden Ölpreisschub bei. Denn im Gegensatz zu den anderen Industriemetallen verfügt der Aluminiummarkt in der Golfregion über signifikante Produktionskapazitäten, weshalb die angebotsseitigen Risiken zuletzt wieder verstärkt in den Fokus der Märkte gerückt sind. Insgesamt befinden sich fast 4 Mio. t bzw. über 7% der globalen Verhüttungskapazität von Aluminium im Nahen Osten - Tendenz stark steigend. In Anbetracht der hohen Unterauslastung weltweit dürften etwaige Produktionsausfälle derzeit aber noch problemlos aufgefangen werden können.

Produktionskostenbasis verschiebt sich nach oben
Gravierender sind aus unserer Sicht hingegen die indirekten Effekte. Denn steigende Ölnotierungen schlagen über den Umweg der energielastigen Produktionskosten erfahrungsgemäß schnell auf die Weltmarktpreise für Aluminium durch, wie der enge Zusammenhang in nebenstehender Abbildung zeigt. In der jüngeren Vergangenheit korrespondierte etwa ein Ölpreisniveau von 120 USD je Fass mit einem Aluminiumpreis von rund 2.900 USD/t. Doch auch unabhängig von dem bewaffneten Konflikt in Libyen und den Unruhen in anderen Ölförderländern dürfte sich der Kostendruck in der Aluminiumproduktion weiter fortsetzen. So plant Peking eine Erhöhung der administrierten Strompreise, was sich unmittelbar auf die Schmelzkosten des weltgrößten Produzenten auswirken würde. Ein struktureller Anstieg der Energiepreise könnte zudem durch einen rückläufigen Anteil von Atomkraft resultieren.
Temporärer Nachfrageausfall Japans zu erwarten
Die nachfrageseitige Entwicklung an den Metallmärkten wird momentan von den tragischen Ereignissen in Japan überschattet, wo das schwere Erdbeben im Nordosten des Landes in Kombination mit dem zerstörerischen Tsunami und dem anschließenden Atomunfall in Fukushima zu einem Stillstand bzw. erheblichen Störungen der industriellen Aktivität geführt hat. Wenngleich das ganze Ausmaß der Schäden bislang kaum abschätzbar ist, wird die Nachfrage des weltweit drittgrößten Aluminiumverbrauchers und zweitgrößten Importeurs von Rohaluminium (2010: 2,7 Mio. t) zunächst einen deutlichen Einbruch verzeichnen.
Nach Angabe des japanischen Aluminium Verbandes liegt der Großteil (3/4) des Aluminium verarbeitenden Gewerbes zwar in dem vom Erdbeben verschonten Westen des Landes. Aufgrund der Unterbrechung der Lieferketten und der rollierenden Stromabschaltungen stehen jedoch bei den Endabnehmern des Leichtmetalls, insbesondere der Automobilindustrie (~30% der Gesamtnachfrage) derzeit die Bänder still. Ob die daraus entstandenen Nachfrageverluste im Laufe des Jahres 2011 wieder aufgeholt werden können, lässt sich u.E. derzeit
noch nicht seriös beurteilen.

Globale Aluminiumproduktion auf Rekordniveau
Nachdem das weltweite Aluminiumangebot im Zuge der staatlich verordneten Produktionskürzungen Chinas in der zweiten Jahreshälfte 2010 einen rückläufigen Trend aufwies, hat sich das Vorzeichen inzwischen wieder gedreht. Auf Basis der jüngsten Zahlen des International Aluminium Institute (IAI) legte die globale Hüttenproduktion von Aluminium im Februar um 2,2 Mio. t auf den Rekordwert von 42,4 Mio. t (annualisierte Werte) zu. Der Haupttreiber war auch hier einmal mehr das Reich der Mitte, dessen Produktion nach einem Anstieg um satte 13% ggü. Januar auf annualisiert 17 Mio. t bereits schon wieder annähernd die Spitzenwerte des vergangenen Sommers erreicht hat.
Fazit
Die Aluminiumpreise befinden sich in einem moderaten Aufwärtstrend, welcher von einem robusten Nachfragewachstum in China und den westlichen Industriestaaten einerseits und den anziehenden Produktionskosten und den gestiegenen geopolitischen Risiken andererseits gestützt wird. Auf der Oberseite wird das Preispotenzial gleichzeitig von der erneuten Angebotsausweitung und den hohen Lagerbeständen begrenzt. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Aluminiumnotierungen auf 12-Monatssicht bei etwa 2.800 USD/t. Im Jahresmittel 2011 erwarten wir LME-Aluminium (Cash) bei rund 2.500 USD/t.

© Sven Streitmayer
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
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