Knappe Destillatevorräte zu Beginn der Heizsaison


Seit Anfang November hat sich die Preisdifferenz zwischen dem Mitteldestillat Gasöl und Brentöl deutlich verringert. Betrug der Preisabstand Ende Oktober mehr als 20 USD je Barrel, so liegt er aktuell bei weniger als 16 USD jeBarrel. Damit wurde die Ausweitung der Preisdifferenz zwischen Mitte August und Ende Oktober nahezu vollständig wieder rückgängig gemacht. Gleichzeitig hat sich die Gasöl-Terminkurve spürbar abgeflacht.
Der Preis für den Terminkontrakt mit Fälligkeit Dezember2012 lag Ende Oktober noch 16 USD je Barrel höher als der Preis für den Terminkontrakt mit Fälligkeit März 2013. Aktuell kostet der nächstfällige Terminkontrakt sogar etwas weniger als die danach fälligen Kontrakte, d.h. die Terminkurve befindet sich im vorderen Laufzeitenbereich leicht im Contango. Als Grund für diese Entwicklung wird die Rückkehr der Raffinerien in Europa nach dem Ende der im Herbst üblichen Wartungsarbeiten genannt.
Offensichtlich nimmt der Markt bereits eine deutliche Ausweitung des Angebots vorweg. Die niedrigen Destillatebestände deuten aber darauf hin, dass das Angebot weiterhin ausgesprochenknapp ist.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die USA. Dort liegen die Vorräte an Mitteldestillaten, zu denen Heizöl und Diesel zählen, aktuell gut 20% niedriger als zu dieser Jahreszeit üblich. Im Nordosten der USA, wo noch immer ein Viertel des Energiebedarfs für Raumwärme durch Heizöl gedeckt wird, sind die Vorräte sogar mehr als40% niedriger als zu dieser Jahreszeit üblich. Auf den ersten Blick stellt sich die knappe Vorratslage bei Mitteldestillaten fast rätselhaft dar. Denn zum ersten sind die Rohöllagerin den USA reichlich gefüllt.
Anfang November lagen sie rund 12 % höher als zu dieser Jahreszeit üblich. Zum zweiten ist die US-Nachfrage nach Destillaten in den letzten Wochenentgegen dem saisonal üblichen Trend gefallen und liegt mit 3,6 Mio. Barrel pro Tagim 4-Wochendurchschnitt 15% hinter dem Vorjahr zurück. Zum dritten war zumindest bis Hurrikan Sandy die Raffinerieauslastung in den USA hoch; mit 87,7% war sie sogar 4,6 Prozentpunkte höher als zu dieser Jahreszeit üblich. Warum also sind die Destillatevorräte dennoch so niedrig?
Ausschlaggebend ist, dass die US-Raffinerien, konfrontiert mit einer sehr schwachen Nachfrage im eigenen Land, verstärkt Destillate exportiert haben. Mit 970 Tsd. Barrel pro Tag lagen die Netto-Exporte im dritten Quartal 30% höher als im Vorjahr bzw. 80% höher als zwei Jahre zuvor. Kräftig gesteigert wurden insbesondere die Ausfuhren nach Lateinamerika und nach Europa (Grafik 2). Alles in allem schrumpften daher die Vorräte an Mitteldestillaten trotz schwacher Inlandsnachfrage in den USA massiv.
Mitteldestillate auch mittelfristig stark gefragt
Die Nachfrage nach Mitteldestillaten wird auch unabhängig von saisonalen Einflüssen weiter steigen: Die Internationale Energieagentur stellt in ihrem mittelfristigen Ausblick bis 2017 in Aussicht, dass der zusätzliche Bedarf an Gasöl rund 46% des globalen Wachstums der globalen Ölnachfrage ausmachen wird. Damit dürfte dieses Produktsegment sein überproportionales Wachstum der letzten Jahre fortsetzen. Die Bedeutung von Gasöl an der globalenÖlnachfrage dürfte damit von 25,5% im Jahr 1996 auf rund 30% im Jahr 2017 steigen.
Ausschlaggebend ist nicht zuletzt seine vielseitige Verwendbarkeit; zum einen zu Transportzwecken zum Teil noch politisch forciert und zum anderen als Brennstoff in Dieselgeneratoren wenn bspw witterungsbedingt Wasserkraft zur Stromerzeugung ausfällt, was insbesondere in vielen aufstrebenden Schwellenländern der Fall war. Europa weist im internationalen Handel das größte Defizit auf: Der Nettoimportbedarf von aktuell 1 Mio. Barrel pro Tag dürfte sogar noch weiter steigen. Hauptlieferant sind die Länder der ehemaligen Sowjetunion und der Nahe Osten. Diese beiden Regionen dürften ihre Bedeutung als weltweiter Nettoexporteur noch ausbauen.
Aber auch die USA hat in den letzten Jahren dem weltweiten Markt deutliche Mengen an Mitteldestillaten zur Verfügunggestellt. Auch wenn angesichts der attraktiven Rendite die Raffinerien ihre Struktur zugunsten von Gasöl verschoben haben, dürften sich die Zuwächse auf mittlere Sicht in Grenzen halten. Aus einem Barrel Rohöl lassen sich ca. 40 Liter an Mitteldestillatengewinnen. Um darüber hinaus mehr Gasöl herstellen zu können, müssten die Raffineriekapazitäten zur Rohölverarbeitung entsprechend erhöht werden.

Die deutlich gestiegenen US-Exporte haben mit dazu beigetragen, dass sich die Angebotssituation bei Mitteldestillaten in Europa in den Sommermonaten merklich entspannt hat. Laut Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) lagen die industriellen Vorräte an Mitteldestillaten in den europäischen OECD-Ländern im September 4 Mio. Barrel niedriger als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Im Juni betrug die Abweichung noch 23 Mio. Barrel.
Die wöchentlichen Gasölvorräte für die Region Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen (ARA) deuten allerdings darauf hin, dass sich die Angebotssituation in Westeuropa am aktuellen Rand wieder angespannt hat. Anfang November lagen die ARA-Gasölbestände laut PJK International bei knapp 2 Mio. Tonnen und damit 8% unter dem langjährigen Durchschnitt. Niedriger waren sie zu dieser Jahreszeit zuletzt im Jahr 2008. Das Angebot bei Mitteldestillaten bleibt somit knapp. Dies spiegelt sich auch in entsprechend niedrigen Vorräten in den OECD-Ländern insgesamt wider (Grafik 3).
Diese lagen laut IEA im September noch immer knapp 35 Mio. Barrel niedriger als üblich, wobei der Großteil der Abweichung auf die USA zurückzuführen ist. Das sind zwar 18 Mio. Barrel weniger als im Juni, aber immer noch deutlich mehr als Ende 2007, als Destillate zuletzt knapp waren und die Preisdifferenz zwischen Gasöl und Brent in der Folge bis auf 40 USD je Barrel stieg. Eine schnelle Entspannung des Angebots ist angesichts der bevorstehenden Heizsaison eher unwahrscheinlich, zumindest für den Fall, dass der Winter auf der Nordhalbkugel nicht ungewöhnlich mild ausfällt und die Nachfrage in Lateinamerika robust bleibt.

Das weiterhin knappe Angebot von Mitteldestillaten dürfte die zuletzt gesunkenen Verarbeitungsmargen für Gasöl Anfang 2013 wieder auf mehr als 20 USD je Barrel steigen lassen. Der Gasölpreis ist für den Dieselpreis maßgeblich, da Diesel aus Gasöl gewonnen wird. Unter Berücksichtigung dessen und unserer Ölpreisprognose bedeutet dies für das erste Quartal 2013 einen Dieselpreis von 1.070 USD je Tonne. Die Raffinerien haben bei steigenden Verarbeitungsmargen einen Anreiz, die Produktion von Mitteldestillaten auszuweiten, zumal die Herstellung von Benzin aufgrund der gesunkenen Margen in diesem Segment derzeit kaum profitabel ist (Grafik 1).
Dies sollte zu einer mittelfristigen Entspannung des Angebots beitragen. Zusätzlich begünstigt durch eine saisonal schwächere Nachfrage dürfte der Preisabstand zwischen Gasöl und Brent im zweiten Quartal 2013 daher wieder unter 20 USD je Barrel fallen. Dass der Dieselpreis daraufhin nur geringfügig fallen dürfte, erklärt sich mit dem von uns erwarteten Anstieg des Ölpreises. Bis Ende 2013 rechnen wir bei einem weiter steigenden Ölpreis mit einem Anstieg des Dieselpreises auf 1.100 USD je Tonne.
Auf einen Blick



