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Fallendes US-Ölangebot nur eine Frage der Zeit

21.12.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Das Überangebot am Ölmarkt lastet schwer auf den Preisen. Denn auch außerhalb der OPEC lässt die Angebotsreaktion auf das niedrigere Preisumfeld auf sich warten. So erweist sich die US-Ölproduktion teils aufgrund von Sondereffekten, teils dank der hohen Effizienzgewinne in der Schieferölproduktion bislang als widerstandsfähig.

Aber die Weichen sind aufgrund der hohen Erschöpfungsrate der Quellen und des unattraktiven Investitionsumfeldes in der Schieferölindustrie klar gestellt. Wegen der fallenden US-Produktion sollte das Angebot außerhalb der OPEC 2016 so stark schrumpfen wie zuletzt 1992 und damit eine Preiserholung am Ölmarkt anschieben.

Der Ölmarkt ist überversorgt und die Preise sind entsprechend niedrig. Damit sich die Preise erholen können, müssen Angebot und Nachfrage wieder besser zusammen passen. Die Ursache für das momentane Ungleichgewicht ist weniger der Nachfrage anzulasten, die auch dank der niedrigen Preise bereits in diesem Jahr mit einem Plus von 1,8 Mio. Barrel pro Tag so stark wächst wie zuletzt 2010 in der Erholung nach der Wirtschafts- und Finanzkrise. Vielmehr muss das Angebot reagieren. Da sich die OPEC weiterhin sperrt, ihre Produktion zu reduzieren, muss das Angebot andernorts fallen.

Eine schnelle Reaktion auf die niedrigen Preise war vor allem in den USA erwartet worden. Tatsächlich sind die US-Bohraktivitäten mit einer Verzögerung von knapp einem halben Jahr eingebrochen. Mit 524 Ölbohrungen ist die Zahl heute gut 60% niedriger als zu Jahresbeginn. Doch die US-Rohölproduktion reagiert darauf nur sehr langsam und zeigt erst leichte Bremsspuren.

Von ihrem 43-Jahreshoch von knapp 9,6 Mio. Barrel pro Tag im Frühjahr ist die Rohölproduktion den letzten tatsächlichen Produktionszahlen für September zufolge nur um 200 Tsd. Barrel pro Tag gefallen. Die auf Schätzungen beruhenden Wochendaten deuten sogar darauf hin, dass sich der Produktionsrückgang danach nicht mehr fortgesetzt hat.

Ein Teil der Robustheit war zuletzt Sonderfaktoren geschuldet: Denn im Golf von Mexiko und in Alaska ist die Produktion dank der Inbetriebnahme neuer Projekte gestiegen (Grafik 1). So war die Produktion im Golf von Mexiko mit 1,7 Mio. Barrel pro Tag im September mehr als 200 Tsd. Barrel höher als im Vorjahr und damit so hoch wie zuletzt im Februar 2010. In Alaska erreichte die Ölproduktion Ende November mit 529 Tsd. Barrel pro Tag ein 18-Monatshoch.

Der um diese Effekte bereinigte "zweite" Blick auf die US-Ölproduktion an Land (ohne Alaska) zeigt denn auch durchaus schon stärkere Bremsspuren. Dennoch: mit 7,2 Mio. Barrel pro Tag und einem Rückgang um knapp 400 Tsd. Barrel von ihrem Hoch ist sie angesichts der stark gesunkenen Bohraktivitäten noch immer recht robust. Schließlich sind die Bohrungen so gering wie zuletzt im April 2010 (Grafik 2, Seite 2), während die Ölproduktion fast 4 Mio. Barrel pro Tag bzw. rund 70% höher ist als damals.

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Folgende Faktoren erklären die Widerstandsfähigkeit:

• Mehr bzw. längere Bohrlöcher je Bohrstelle sorgen für deutliche Effizienzsteigerungen. In Nord-Dakota beispielsweise werden heute 20 bis 24 Bohrlöcher je Bohrstelle gebohrt, verglichen mit 8 bis 10 im Jahr 2009. Die Zahl der Bohrlöcher steigt deshalb trotz fallender Bohrstellen. Zusätzlich begünstigt durch weitere technische Innovationen nimmt bislang die Produktion je neuer Bohrung zu (Grafik 3).

Hohe Effizienzgewinne bestätigen auch die steigenden Schätzungen für die letztlich zu fördernde Ölmenge je Bohrloch (Estimated Ultimate Recovery). Laut dem unabhängige Beratungsunternehmen Rystad Energy lag diese Anfang 2014 noch bei gut 400 Tsd. Barrel, Anfang 2015 bereits bei 600 Tsd. Barrel.

• Bohraktivitäten wurden dort reduziert, wo die Ergiebigkeit des Bodens gering ist. In der "reifen" Bakken-Formation beispielweise wird nun vor allem in den Kerngebieten gefördert.

• Noch immer zehrt die Industrie von einem hohen Rückstau an noch nicht fertiggestellten Bohrungen ("fracklog"). Diese können abhängig von der Marktlage schnell fertiggestellt werden und in Produktion gehen.

• Der Rückgang der für die Schieferölproduktion entscheidenden und wesentlich ergiebigeren horizontalen Bohrungen war prozentual geringer als der der vertikalen.

Dennoch gilt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Denn auch wenn sich die Reaktionen auf der Angebotsseite nur sehr zögerlich zeigen, ausbleiben werden sie nicht. Einiges spricht sogar dafür, dass die US-Ölproduktion deutlich gebremst wird. Denn die Bohrstellen in der Schieferölproduktion erschöpfen sich deutlich schneller als konventionelle Quellen.


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