• Freitag, 16 Mai 2025
  • 08:20 Frankfurt
  • 07:20 London
  • 02:20 New York
  • 02:20 Toronto
  • 23:20 Vancouver
  • 16:20 Sydney

Energie: Produktionskürzungen - Nur ein Sturm im Wasserglas?

09.02.2016  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
Spekulationen auf koordinierte Produktionskürzungen von Russland und der OPEC haben die Ölpreise in den letzten zwei Wochen deutlich steigen lassen. Denn im Fall einer solchen Kürzung wäre das Gleichgewicht auf dem Ölmarkt wieder hergestellt. Wir erachten die Aussichten, dass es letztlich dazu kommen wird, aber nur als gering. Denn zu unterschiedlich sind die Interessen und Motive der maßgeblichen Länder. Der Abbau des Überangebots wird von anderer Stelle kommen müssen, nämlich einer fallenden US-Ölproduktion. Damit rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte.

Die Ölpreise sind von ihren im Januar verzeichneten 12-Jahrestiefständen um mehr als 20% gestiegen (Grafik 1). Eine wesentliche Rolle bei der Preiserholung spielten Spekulationen auf koordinierte Produktionskürzungen seitens von Russland und der OPEC. Dem russischen Energieminister Nowak zufolge soll Saudi-Arabien angeblich vorgeschlagen haben, dass jedes Land seine Produktion um 5% senkt. Damit würden dem Markt bis zu 2 Mio. Barrel Rohöl pro Tag weniger zur Verfügung stehen.

Das Überangebot wäre auf einen Schlag verschwunden und das Gleichgewicht auf dem Ölmarkt wieder hergestellt. Die Preise würden sich in der Folge deutlich erholen. Soweit die Theorie. Wie wahrscheinlich ist es aber, dass es dazu kommt?

Dass bei den meisten Ölproduzentenländern Handlungsdruck besteht, daran besteht kaum ein Zweifel. Die russische Wirtschaft dürfte in diesem Jahr das zweite Jahr in Folge schrumpfen, und der Rubel ist wegen des niedrigen Ölpreises auf ein Rekordtief gefallen. Saudi-Arabien hat im letzten Jahr ein rekordhohes Haushaltsdefizit von fast 100 Mrd. USDollar verzeichnet.

Zwar verfügt Saudi-Arabien über reichliche Reserven, um noch eine gewisse Zeit zu überstehen, wird diese aber nicht vollständig opfern wollen. Deswegen hat Saudi-Arabien bereits Subventionskürzungen bei Benzin, Wasser und Strom beschlossen und denkt darüber hinaus über einen Börsengang seiner staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco nach. Nigeria und Angola sind in Gesprächen mit der Weltbank über die Gewährung von Finanzhilfen. Venezuela steht vor dem Staatsbankrott.

Angeblich sollen sich sechs OPEC-Mitglieder, nämlich Iran, Irak, Nigeria, Algerien, Ekuador und Venezuela, sowie die beiden Nicht-OPEC-Länder Russland und Oman auf ein Treffen verständigt haben. Der Irak hat bereits signalisiert, sich im Falle einer Einigung auf Produktionskürzungen daran beteiligen zu wollen. Dies ist deswegen von Bedeutung, weil der Irak seine Ölproduktion in den letzten 12 Monaten um 1 Mio. Barrel pro Tag ausgeweitet hat und damit für den Anstieg der OPEC-Produktion im letzten Jahr hauptverantwortlich war. Nicht mit dabei ist bislang allerdings Saudi-Arabien, ohne das ein Treffen wenig Sinn macht.

Open in new window

Ein Sondierungstreffen des venezolanischen Ölministers mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen hat außer den üblichen freundlichen Worten wenig Konkretes gebracht. Ein Treffen der Ölförderländer ohne Aussicht auf eine Einigung wäre vermutlich kontraproduktiv. Eine gemeinsame Linie von Saudi-Arabien, Russland und Iran zu finden, dürfte allerdings ein sehr schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen werden. So verfolgen Russland und Saudi-Arabien entgegengesetzte Interessen im Bürgerkrieg in Syrien. Russland unterstützt das Assad-Regime, Saudi-Arabien die Rebellen.

Beide Länder befinden sich zudem seit Monaten in einem intensiven Kampf um Marktanteile in Asien. Russland gelang es zuletzt, Saudi-Arabien als wichtigsten Öllieferanten Chinas abzulösen. Dafür versucht Saudi-Arabien, Russland auf dessen Heimatmarkt Europa Marktanteile streitig zu machen. Saudi-Arabien hat seine offiziellen Verkaufspreise (OSPs) für Abnehmer in Europa, d.h. den Preisabschlag für seine Ölsorte Arab Light gegenüber Brent, auf ein Rekordtief gesenkt, was Russland als Kampfansage sehen dürfte. Die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, dürfte dies nicht fördern.

Russland hat in der Vergangenheit zudem schon einige Male versprochen, gemeinsam mit der OPEC die Produktion kürzen zu wollen, zuletzt während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Daran gehalten hat sich Russland allerdings nicht, was für Misstrauen bei Saudi-Arabien und den anderen OPEC-Mitgliedern sorgt. Erschwerend kommt bei Russland hinzu, dass die Ölproduktion nicht von einer staatlichen Monopolgesellschaft vermarktet wird, sondern dass in Russland oligopolistische Strukturen bestehen. Insbesondere kleinere und mittelgroße Unternehmen waren im vergangenen Jahr für den überraschenden Anstieg der russischen Ölproduktion auf ein 26-Jahreshoch verantwortlich (Grafik 2).

Diese werden allerdings kaum bereit sein, ihre Produktion freiwillig zu kürzen. Der russische Anteil bei einer Kürzung wird daher in erster Linie von den großen staatlich kontrollierten Ölgesellschaften wie Rosneft oder Lukoil kommen müssen, wo die Produktion ohnehin schon fällt. Auch der Iran dürfte einer Einigung auf Produktionskürzungen im Wege stehen. Der Iran will sich an Produktionskürzungen selber nicht beteiligen. Dies ist aus Sicht des Iran nachvollziehbar, nachdem man gerade erst die Fesseln der Sanktionen abgestreift hat, welche die iranische Ölproduktion in den letzten vier Jahren eingeschränkt haben (Grafik 3).

Dass Saudi-Arabien seine Produktion kürzt und damit dem Intimfeind Iran Platz macht, kann aber als ausgeschlossen gelten. Die Zuspitzung der Spannungen zwischen den beiden Ländern zu Jahresbeginn erschwert eine Übereinkunft zusätzlich.

Saudi-Arabien wird zudem unter allen Umständen vermeiden wollen, dass bei höheren Ölpreisen die US-Schieferölproduktion wieder rentabel wird. Schließlich war deren Zurückdrängung das primäre Ziel. All diese Überlegungen machen koordinierte Produktionskürzungen wenig wahrscheinlich. Sobald die Hoffnungen darauf schwinden, droht dem Ölpreis ein Rückschlag. Denn die Erwartung einer bevorstehenden Angebotsreduktion hat seit Mitte Januar zu einem kräftigen Anstieg der spekulativen (Netto-) Long-Positionen bei Brent auf ein Rekordniveau beigetragen, so dass hier Korrekturpotenzial besteht.

Falls es trotz allem doch zu einer Einigung kommen sollte, besteht für jedes Land der Anreiz, davon abzuweichen und einseitig mehr zu produzieren. Der Abbau des Überangebotes wird u.E. von anderer Stelle kommen müssen, nämlich von der fallenden US-(Schiefer-)Ölproduktion. Damit rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte.

Open in new window

Auf einen Blick

Open in new window

Open in new window

Open in new window

Open in new window


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!



© 2007 - 2025 Rohstoff-Welt.de ist ein Mitglied der GoldSeiten Mediengruppe
Es wird keinerlei Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen! Alle Angaben ohne Gewähr!
Kursdaten: Data Supplied by BSB-Software.de (mind. 15 min zeitverzögert)