Ölpreis und Finanzmärkte - eine unheilige Allianz

Die negativen Folgen des Ölpreisrückgangs beschränken sich nicht nur auf die reale Wirtschaft, sondern setzen teilweise direkt den Finanzmärkten zu. Der Schieferölsektor konnte in den vergangenen Jahren vor allem dank einer hohen Risikobereitschaft internationaler Investoren so schnell wachsen. Schätzungsweise 200 Mrd. USD an hochverzinsten Anleihen haben vor allem die kleineren Ölproduzenten in den vergangenen Jahren emittiert. Damit machen sie zwar gerade einmal rund 20% des gesamten High Yield-Bond-Marktes aus, der im Vergleich zum Gesamtmarkt recht klein ist.
Allerdings sind Parallelen zwischen dem "shale oil" und "subprime" durchaus zu erkennen. Auch damals hat ein relativ kleines Segment bei Immobilienfinanzierungen den ganzen Finanzmarkt und anschließend die Weltwirtschaft durcheinander gewirbelt. Die Übertragung der Probleme der Schieferölproduzenten auf die anderen Sektoren ist auch diesmal nicht auszuschließen. Die Rating-Agenturen haben bereits einige Banken wegen ihres Engagements in das Kreditgeschäft mit den kleineren Ölproduzenten heruntergestuft.
Aus unserer Sicht könnte die Angst vor einer möglichen "Ansteckung" der Bond- und Aktienmärkte durch die High-Yield-Bond-Märkte die zurückhaltende Einstellung der Banken erklären, die ihre bestehenden Kreditlinien auch bei der halbjährlichen Überprüfung im letzten Oktober weitgehend verlängert hatten. Ob sie sich auch bei der anstehenden März-Prüfung ebenso großzügig zeigen, ist allerdings fraglich.
Auch die Tatsache, dass die Staatsfonds ölexportierender Länder über große Aktienbestände verfügen, wird häufig als Erklärung für die offensichtliche Korrelation zwischen dem Öl- und dem Aktienmarkt angeführt. Interessanterweise haben sich dabei die Ölexporteure häufig auf die Aktien aus dem Transport- oder Autosektor konzentriert.
Ein Grund war wahrscheinlich die Annahme, dass dies den Ölproduzenten eine "natürliche Absicherung" gegen den fallenden Ölpreis bieten würde, weil der Sektor vom Ölpreisrückgang profitieren würde. Wie man jedoch erkennen kann, ist diese Wette nicht ganz aufgegangen. Aber auch hier dürfte der Zusammenhang nicht zwingend langfristig bestehen, weil die Transportbranche tatsächlich durch einen niedrigeren Ölpreis entlastet wird.

Ölpreisverfall und langfristige Inflationserwartungen im Gleichklang
Nicht zuletzt könnte der Zusammenhang zwischen dem Ölpreis und dem Aktienmarkt in der aufkeimenden Deflationsangst liegen. Denn im Gleichlauf mit dem fallenden Ölpreis sind auch die langfristigen Inflationserwartungen stark zurückgekommen (Grafik 4). Auf den ersten Blick scheint das eher unlogisch, denn ein massiver Preisverfall bei Öl dürfte längerfristig sogar inflationär wirken.
Zum einen steigt das verfügbare Einkommen bei Konsumenten, was sich längerfristig in einem höheren Konsum und Preisen zeigt. Zum anderen werden bei den niedrigen Preisen Investitionen in die Ölproduktion eingestellt, was längerfristig zu Angebotsverknappungen und höheren Ölpreisen führen könnte. Doch aktuell überwiegt wohl eine gegenteilige Meinung.
Es ist zwar unumstritten, dass eine gesunde Wirtschaft eines ölimportierenden Landes durch einen niedrigeren Ölpreis längerfristig entlastet und gestützt wird. Wenn jedoch wie jetzt das Wirtschaftswachstum bereits sehr mager ist und die Inflationserwartungen schon im Vorfeld des Preisrückgangs stark nachgelassen haben, wirkt sich der starke Preisrückgang auf den Konsumenten eher beängstigend aus.
Womöglich hängt aber auch der Rückgang der Renditen langlaufender Anleihen nicht direkt mit dem Ölpreisrückgang, sondern mit dem Anstieg der Risikoaversion bzw. der Unsicherheit zusammen, die laut unserem ARPI2-Index aktuell auf den höchsten Stand seit 2011 gestiegen ist (Grafik 5).
Fazit:
Zwar gibt es plausible Erklärungen für einen stärkeren positiven Zusammenhang zwischen dem Ölmarkt und den Aktien. Allerdings halten wir die Ängste der Marktteilnehmer vor einem niedrigen Ölpreis für wenig fundamental begründet. Denn längerfristig überwiegen in den Industrieländern, die meist von Ölimporten abhängig sind, die positiven Effekte. Daher dürfte dieser Zusammenhang nicht von Dauer sein.
Vielmehr würden wir in der Zukunft einen positiven Zusammenhang nachvollziehen können, wenn der Ölpreis wieder von der Nachfrage, nicht dem Angebot gesteuert wird. Wir rechnen damit, dass vor allem der Rückgang der US-Ölproduktion den Ölpreis bis zum Jahresende wieder auf 50 USD je Barrel steigen lassen wird. Damit wäre wenigstens dieser "Belastungsfaktor" für die Aktienmärkte weg.
Auf einen Blick



