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Rohstoffe kompakt: Agrar: Langfristig weiter positive Aussichten

10.10.2008  |  Eugen Weinberg
Die Agrarrohstoffe haben sich dem allgemeinen Abwärtstrend an den Rohstoffmärkten in den vergangenen Wochen nicht entziehen können. Dabei mussten diejenigen Agrarrohstoffe, welche in den Monaten bis Anfang Juli besonders stark zugelegt haben, in der darauffolgenden Korrektur auch die größten Abschläge hinnehmen. Auch wenn die Konsolidierungsphase im Rohstoffbereich in den kommenden 3-6 Monaten anhalten dürfte, bleiben wir auf längere Sicht für die Agrarrohstoffe optimistisch gestimmt. Dies gilt insbesondere für Mais und in leicht abgeschwächter Form für Sojabohnen, welche beide von einer steigenden Nachfrage als Futtermittel und zur Herstellung von Biokraftstoffen profitieren dürften. Etwas weniger optimistisch sehen wir aufgrund eines deutlich steigenden Angebots die Aussichten für Weizen, welcher allein zu Nahrungs- und Futterzwecken verwendet wird.

Seit Ende Juni hat der Agrarsektor gemessen am S&P GSCI Agrar Total Return Index knapp 40% an Wert verloren. Dabei haben sich die verschiedenenen Agrarrohstoffe höchst unterschiedlich entwickelt (siehe Grafik 1): Getreide und Sojabohnen verloren von Ende Juni bis Mitte September mit 40% am stärksten, gefolgt von Baumwolle mit 35%. Die Genussmittel wie Kaffee, Kakao und Zucker schlugen sich mit einem Verlust von “nur“ 27% vergleichsweise achtbar. Das Fleisch-Segment verlor in diesem Zeitraum weniger als 20% und lag bis Anfang August sogar noch bei plus/minus null. Man konnte also bis vor wenigen Wochen mit ausgewählten Agrarrohstoffen auch in der jüngsten Korrektur das Depot stabilisieren, was als großes Plus für dieses Segment zu werten ist.

Warum aber haben einige Agrarrohstoffe so kräftig verloren? Die Agrarrohstoffe wiesen gerade in der jüngeren Vergangenheit eine positive Korrelation mit dem übrigen Rohstoffsektor auf. Auf Basis der Wochenveränderung lag diese in den vergangenen sechs Monaten bis auf wenige Ausnahmen zwischen 40% und 80% (siehe Grafik 2). Das heißt, die Richtung der Agrarrohstoffe lässt sich zu großen Teilen mit den allgemeinen Rohstofftrends erklären. Wie bei Rohöl auch, spielten sicherlich die Finanzmarktteilnehmer eine wichtige Rolle. Während des vorherigen Boomes haben die Anleger auch den Agrarsektor als Investmentmöglichkeit für sich entdeckt. Dies führte zu massiven Zuflüssen in Rohstofffonds und andere Anlageformen. Mit der im Juli einsetzenden Korrektur an den Rohstoffmärkten dürfte auch das Anlegerinteresse nachgelassen haben und zu entsprechenden Mittelabflüssen geführt haben. Das sogenannte Deleveraging, d.h. Verkauf von Finanzanlagen zur Schließung von Liquiditätslücken, dürfte ebenfalls zu einem deutlichen Rückgang der Rohstoffpreise beigetragen haben. Die kräftige Aufwertung des US-Dollar tat ihr übriges, denn Rohstoffe dienten nicht zuletzt auch als Absicherung gegen einen schwächeren US-Dollar.

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Warum sind wir für die Agrarrohstoffe langfristig optimistisch? Die stark wachsende Bevölkerung und die geänderten Essgewohnheiten in den Schwellenländern werden zu einer verstärkten Nachfrage nach Agrarrohstoffen führen. Getreide kommt sowohl als Nahrungs- aber auch als Futtermittel für die Fleischproduktion zur Anwendung. Die Anbauflächen sind nicht beliebig ausdehnbar, was der Ausweitung der Produktion Grenzen setzt. Zunehmende Wetterkapriolen und Wasserknappheiten aufgrund des Klimawandels werden die Risiken für die Ernteerträge zusätzlich erhöhen, so dass das Getreideangebot mit dem Anstieg der Nachfrage kaum Schritt halten dürfte. Hinzu kommt, dass einige Agrarrohstoffe auch zur Gewinnung von Biokraftstoffen wie Ethanol oder Biodiesel verwendet werden. Der Verteilungskampf zwischen den Industrie- und den Schwellenländern sowie zwischen der Verwendung als Nahrungsmittel oder zur Kraftstoffgewinnung dürften Katalysatoren einer deutlichen Verteuerung der Agrarrohstoffe in den kommenden Jahren sein.


Mais: Sinkendes Angebot trifft auf steigende Nachfrage

Der Maispreis hat im Zuge der allgemeinen Rohstoffkorrektur seit dem Ende Juni verzeichneten Rekordhoch von 7,65 US-Dollar je Scheffel gut 40% verloren und bei 4,10 USD ein 10-Monatstief markiert. Kurzfristig überwiegen die Abwärtsrisiken. Zum einen scheint die Korrektur an den Rohstoffmärkten noch nicht abgeschlossen. Zudem geht mit der im Oktober beginnenden Erntezeit für gewöhnlich eine saisonale Preisschwäche einher. Die USA stellten im vergangenen Jahr 40% der der weltweiten Produktion und 60% der weltweiten Exporte. Aufgrund dieser dominierenden Stellung kommt den USA eine herausragende Bedeutung für die künftige Preisentwicklung zu.

Zwar lagen die US-Lagerbestände per 1. September um 25% höher als vor einem Jahr. Das USLandwirtschaftsministerium hat allerdings seine Prognose für die diesjährige Maisernte um 2% auf 12,1 Mrd. Scheffel nach unten korrigiert. Die US-Maisproduktion würde damit 8% niedriger liegen als im vergangenen Jahr. Hauptgrund hierfür ist ein Rückgang der Anbauflächen um 7%. Weitere Abwärtsrevisionen der Ernteprognosen sind aufgrund der hinter dem Plan liegenden Ernte und der damit einhergehenden Gefahr von Frostschäden nicht auszuschließen. So waren Ende September erst 9% der Ernte abgeschlossen. Üblich sind zu dieser Zeit ca. 20%. Auch der International Grains Council (IGC) hat die Prognose für die globale Maisproduktion gegenüber der vorherigen Schätzung um 3 Tonnen auf 771 Mio. Tonnen nach unten revidiert, was einem Rückgang um 2% gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Dem niedriger als erwartet ausfallenden Angebot steht eine weiter steigende Nachfrage gegenüber. So dürfte Japan, welches den Großteil seines Maisbedarfs von jährlich 16 Mio. Tonnen aus den USA einführt und damit der weltweit führende Maisimporteur ist, seine Einfuhren von Mais in den kommenden drei Monaten deutlich ausweiten. Japanischen Händlerangaben zufolge beläuft sich die Versorgungslücke im vierten Quartal derzeit auf bis zu 1,4 Mio. Tonnen. Diese zusätzliche Nachfrage dürfte in den kommenden Wochen stabilisierend auf den Maispreis wirken. Mittel- bis langfristig gehen wir von steigenden Maispreisen aus.

In China, dem nach den USA weltweit zweitgrößten Verbrauchsland, steigt die Nachfrage nach Mais als Nahrungs- und Futtermittel durchschnittlich um 5% pro Jahr und übertrifft damit das Angebotswachstum. In den Industrieländern kommt Mais nicht nur als Nahrungs- und Futtermittel, sondern vermehrt auch für die Herstellung von Biokraftstoffen wie Ethanol zur Anwendung. Bereits heute werden 26% der USMaisproduktion für die Herstellung von Ethanol verwendet. Dieser Anteil soll nach Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums bis 2010 auf ein Drittel steigen. Da insbesondere die Verwendung von Mais bei der Herstellung von Biokraftstoffen zuletzt stark zugenommen hat, dürfte der Maispreis weiter eng mit den Bewegungen am Ölmarkt korreliert sein (siehe Grafik 3). Mit der einsetzenden Erholung beim Ölpreis im Frühjahr 2009 dürfte der Maispreis wieder deutlicher nach oben tendieren. Ein Erreichen der Höchststände von Ende Juni ist auf Sicht der kommenden 12 Monate ohne einen kräftigen Ölpreisanstieg dennoch unwahrscheinlich.

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Weizen: Lediglich begrenztes Aufwärtspotenzial nach starkem Preisrückgang

Der Weizenpreis ist in dieser Woche zwischenzeitlich auf ein 15-Monatstief von 5,90 USD je Scheffel gefallen. Seit dem Frühjahr, als Weizen ein Rekordhoch von 13,35 USD je Scheffel verzeichnete, hat sich der Preis somit mehr als halbiert. Kurzfristig besteht aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Korrektur an den Rohstoffmärkten das Risiko eines weiteren Preisrückgangs. Dazu ist mit einer deutlichen Ausweitung des Angebots zu rechnen. Der International Grains Council (IGC) hat seine Prognose für die globale Weizenproduktion in diesem Jahr auf einen Rekordwert von 676 Mio. Tonnen nach oben revidiert. Dies würde einem Anstieg um 11% gegenüber dem Vorjahr entsprechen.

Die Weizenproduktion in den USA, dem weltgrößten Weizenexporteur, soll in diesem Jahr nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums um 21% gegenüber dem Vorjahr steigen. Die Produktionsausweitung erklärt sich mit der Ausweitung der Anbauflächen auf den höchsten Stand seit 10 Jahren. Auch andere wichtige Weizenproduzenten wie die EU und Russland berichten von guten Ernten. In der Folge haben die globalen Lagerbestände ihren Tiefpunkt durchschritten (siehe Grafik 4). So lagen die Lagerbestände in den USA Anfang September um 8% höher als vor einem Jahr und auf dem höchsten Stand seit vier Jahren. Dadurch dürfte auch der Rückgang der Lagerbestände um 29% in Kanada, dem weltweit zweitgrößten Weizenexporteur, weitgehend kompensiert werden.

Im nächsten Jahr sollte sich der Weizenpreis wieder erholen. Aufgrund des deutlichen Preisrückgangs in diesem Jahr und des derzeitigen Überangebots ist zu erwarten, dass die Anbauflächen im kommenden Jahr erstmals seit 2005 wieder reduziert werden. Drohende Ernteausfälle aufgrund von Trockenperioden in anderen wichtigen Exportländern wie Australien und Argentinien dürften das Überangebot zusätzlich begrenzen. Aufgrund der ähnlichen Verwendung dürfte Weizen außerdem vom erwarteten Anstieg von Mais profitieren. Aufgrund des höheren Angebots und da Weizen im Gegensatz zu Mais nicht zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet wird, dürfte der Weizenpreis aber weniger stark zulegen.


Sojabohnen: Starke Produktionsausweitung, aber auch zunehmende Nachfrage

Die Sojabohnenpreise erreichten Anfang Juli bei 16,50 USD je Scheffel ein Rekordhoch und haben seither mehr als 40% an Wert verloren. Vor wenigen Tagen verzeichneten sie bei 9,10 USD ein 13-Monatstief. Der Preisverlauf ist ähnlich wie bei Mais, weil beide Agrarrohstoffe sowohl von der Verwendung als auch vom Erntezyklus her Ähnlichkeiten aufweisen (siehe Grafik 5). Der deutliche Preisrückgang erklärt sich zum einen mit der Korrektur an den Rohstoffmärkten während der Sommermonate, aber auch mit einer deutlichen Ausweitung des Angebots.

In den USA, welche ein Drittel der globalen Produktion und 40% der weltweiten Exporte von Sojabohnen stellen, dürfte die Produktion in diesem Jahr 2,93 Mrd. Scheffel betragen und damit um 10% höher liegen wird als im Vorjahr. Darin macht sich vor allem die deutliche Ausweitung der Anbauflächen um 17% im Vergleich zum Vorjahr bemerkbar. Allerdings könnte der Erntertrag durch einen früheren Frosteinbruch im Mittleren Westen der USA beeinträchtigt werden. Die Sojabohnenernte war Ende September erst zu 9% abgeschlossen, verglichen mit einem Durchschnitt von 21% in den letzten fünf Jahren. Es besteht also das Risiko, dass es zu Abwärtsrevisionen der Ernteerträge kommt.

Nicht nur in den USA, sondern auch in anderen wichtigen Produzentenländern dürfte die Sojabohnenernte höher ausfallen. Das USDA schätzt, dass die weltweite Produktion von Sojabohnen in diesem Jahr um 9% höher liegen wird als im vergangenen Jahr. Das höhere Angebot dürfte aber durch eine steigende Nachfrage ausgeglichen werden. In China steigt der Bedarf an Fleisch als Nahrungsmittel, wovon Sojabohnen als Futtermittel profitieren dürften. In den Industrieländern dürfte der Trend hin zu Biokraftstoffen anhalten und somit die Nachfrage nach Sojabohnen anheizen. Wir gehen daher davon aus, dass die Preise für Sojabohnen im kommenden Jahr Aufwärtspotenzial besitzen. Aufgrund der starken Produktionsausweitung dürften sich Sojabohnen allerdings etwas
schlechter entwickeln als Mais.

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