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Baumwolle: Wann endet der freie Fall?

16.10.2008  |  Marc Nitzsche (Rohstoff-Trader)
Trotz der Unwägbarkeiten an den Rohstoffmärkten haben unsere Leser in diesem Jahr bei sehr vielen Trades richtig gutes Geld verdient. Allerdings wollen wir natürlich nicht verhehlen, dass auch uns gelegentlich Fehleinschätzungen unterlaufen. Der Fall war das beispielsweise bei Baumwolle. Die Naturfaser war zu Jahresbeginn einer unserer Favoriten auf der “langen Seite“. Doch nach einer kurzen “Rallye“, an der ordentlich partizipierten, setzte ein massiver Preisverfall ein. Mittlerweile erscheint Baumwolle überaus preiswert. Aber ist dem wirklich so und können Anleger bereits zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Ende des freien Falls hoffen?


Landwirtschaftsministerium schockt “Baumwoll-Bullen“

In den vergangenen Handelstagen beschleunigte sich die Abwärtsbewegung bei dem Textil-Rohstoff noch einmal. Auslöser waren die die jüngsten Prognosen des US-Landwirtschaftsministeriums bezüglich der Endbestände der laufenden 2008/09er Saison. Gingen die Experten zuvor von 4,9 Millionen Ballen aus, rechnet man nun mit 6,2 Millionen Ballen. Damit wurden die Hoffnungen all derer enttäuscht, die infolge des Hurrikans “Ike“ in Texas mit Ernteausfällen gerechnet hatten. Offensichtlich haben die Pflanzen in dem traditionell bedeutendsten Baumwoll-Bundesstaat der USA den Sturm bestens verkraftet.


Markt komfortabel versorgt

Nicht zuletzt deshalb muss bei objektiver Betrachtung festgestellt werden, dass der Baumwoll-Markt komfortabel versorgt ist. Zwar sind die die Ending Stocks auf Grund geringerer Anbauflächen (das war im Übrigen das Hauptargument für unsere “bullische“ Haltung zu Jahresbeginn) erkennbar gesunken. Im letzten Wirtschaftsjahr lagerten nämlich noch sage und schreibe 9,89 Millionen Ballen in den amerikanischen Hallen. Dessen ungeachtet beläuft sich das Verhältnis zwischen Endbeständen und Verbrauch nach wie vor auf 36 Prozent. Damit scheinen zwar die Zeiten der massiven Überversorgung erst einmal vorbei zu sein (in den vergangen beiden Jahren lag diese Kennzahl bei 53 bzw. 54 Prozent). Im historischen Vergleich sind die 36 Prozent jedoch immer noch recht hoch, so dass von einem Mangel nicht die geringste Rede sein kann. Noch “bärischer“ stellt sich die Situation auf globaler Ebene dar: Hier beträgt das Ending Stock to Use Ratio sage und schreibe 45 Prozent und ist damit nur unwesentlich von seinen Höchstständen entfernt.


Amerikanischer Verbrauch weiter rückläufig

Erschwerend kommt hinzu, dass der Verbrauch in den Vereinigten Staaten bereits seit vielen Jahren tendenziell rückläufig ist und ein Ende dieses Trends nicht absehbar ist. Wegen des zu hohen Lohnniveaus hat die inländische Textilindustrie nicht den Hauch einer Chance gegen die Konkurrenz in einer zunehmend globalisierten Welt. Und auch der Export schwächelt immer mehr, obwohl die Preise für amerikanische Baumwolle teilweise deutlich unter denen für indische oder pakistanische Baumwolle liegen. Das hindert jedoch vor allem die Chinesen nicht daran, lieber bei ihren Nachbarn einzukaufen. In Zahlen stellt sich das dann folgendermaßen dar: Für das Gesamtjahr rechnet das US-Landwirtschaftsministerium mit einem Rückgang der Ausfuhren um fünf Prozent. Bei dieser Schätzung dürfte aber größtenteils der Wunsch Vater des Gedankens sein. Denn bis dato sanken die Exporte um 16 Prozent. Zugegeben: Nach der nochmaligen Verbilligung ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sich etwas mehr Abnehmer für US-Baumwolle begeistern können. Sein Leben sollte man darauf aber lieber nicht verwetten. Dafür sind die kulturellen Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Asien einfach zu groß.


Negative Faktoren weitgehend eingepreist

Wie gesehen stellt sich die Lage bei Baumwolle alles andere als positiv im Hinblick auf steigende Notierungen dar. Nichtsdestotrotz können wir uns aber vorstellen, dass der Preisverfall demnächst sein Ende findet. Immerhin ist Baumwolle nunmehr im 30-Jahresvergleich tatsächlich vergleichsweise billig und für die kommende Saison muss von einem nochmaligen Rückgang der Anbaufläche ausgegangen werden. Zudem kommt es ab Mitte November zur saisonal starken Phase. Insofern könnte es sich durchaus lohnen, Baumwolle jetzt zumindest auf die persönliche “Long-Watchlist“ zu nehmen.


Charttechnisch noch keine Bodenbildung in Sicht

Von einem sofortigen Einstieg auf der „langen Seite“ müssen wir indes ausdrücklich abraten. Dafür stellt sich die technische Ausgangssituation einfach noch viel zu trist dar. Von einer dringend notwendigen Bodenbildung ist der Markt noch weit entfernt. Der Abwärtstrend seit Frühjahr ist vollständig intakt und der Markt bildet beinahe täglich neue Tiefs aus. Da verwundert es nicht, dass die Indikatoren wie der MACD, die Stochastik und der RSI allesamt Verkaufssignale generieren. Lediglich der Umstand, dass Baumwolle mittlerweile massiv überverkauft ist, spricht für eine baldige Gegenbewegung. Doch allein darauf zu spekulieren, ist viel zu riskant. Da erscheint es ratsamer, die ersten paar Prozent bei einer Trendwende nach oben zu verpassen und dafür lieber auf der sicheren Seite zu stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind Long-Positionen auf Baumwolle unter technischen Gesichtspunkten damit nur etwas für Harakiri-Trader.


© Marc Nitzsche
Chefredakteur Rohstoff-Trader







Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter finden sie auf der Website: www.Rohstoff-Trader.de
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