Schwache Ölnachfrage, aber Aussicht auf höhere Preise

Die folgenden beiden Grafiken verdeutlichen die Beziehung zwischen der jährlichen Entwicklung der Ölnachfrage und dem BIP-Wachstum in zwei Ländergruppen: erstens den OECD-Mitgliedsländern, welche die weiter entwickelten Volkswirtschaften darstellen (Grafik 4), und zweitens den Nicht-OECD-Ländern, die sowohl Entwicklungsländer als auch die Länder der ehemaligen Sowjetunion umfassen (Grafik 5). In den Industrieländern ist die Korrelation zwischen der Entwicklung des Ölverbrauches und des BIP-Wachstums stärker als in den Entwicklungsländern. Dies ist zum Teil auf den homogeneren Charakter der OECD-Länder zurückzuführen. Die in der Gruppe der Nicht-OECD-Länder zusammengefassten Volkswirtschaften sind heterogener; die Bandbreite reicht von den weiter entwickelten Ländern der ehemaligen Sowjetunion bis hin zu den Ländern südlich der Sahara. Klammert man die Länder der ehemaligen Sowjetunion bei der Analyse aus (da ihre Wirtschaften in den 90er-Jahren zusammenbrachen), so weisen die verbleibenden Nicht-OECD-Länder überraschenderweise eine ähnliche Beziehung zwischen Ölkonsum und BIP und eine vergleichbar hohe Korrelation auf.

Die Bedeutung des Öls für die Wirtschaftsaktivität hat sich im Laufe der Zeit verändert
Die vorstehend dargestellte lineare Regression berücksichtigt nicht die Verschiebung in den Beziehungen zwischen dem Ölverbrauch und der volkswirtschaftlichen Entwicklung im Laufe der Jahre. Vor allem die Rolle der Ölnachfrage für die Wirtschaftsaktivität hat sich seit 1971 deutlich verändert, und zwar sowohl was den Ölverbrauch pro BIP-Einheit angeht, als auch im Hinblick auf den Anteil von Öl am gesamten Energiemix. Auch die Einsatzbereiche von Öl haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, so die Möglichkeiten der Substitution von Öl durch andere Brennstoffe und auch Verschiebungen im Gesamtmix der Wirtschaftsaktivität.

Die Bedeutung von Öl nimmt seit 1971 beständig ab (Grafik 6). Dies ist eine Folge von Effizienzsteigerungen ausgelöst durch Hochpreisphasen und in der jüngeren Vergangenheit auch durch Umweltsorgen. Im Verhältnis haben die Entwicklungsländer größere Fortschritte erzielt, zugegebenermaßen von einer deutlich schlechteren Energieeeffizienz als Basis. Der Ölanteil an der gesamten Energienachfrage ist seit 1980 sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern rückläufig. Mitte der 1970er-Jahre eingeleitete Bemühungen zur Effizienzsteigerung beim Ölverbrauch (z.B. im Transportsektor) und zur Substitution von Öl durch andere Brennstoffe (z.B. durch Gas und Kernkraft bei der Stromerzeugung) trugen ab 1980 erste Früchte. Dies ging einher mit weiteren deutlichen Ölpreissteigerungen, die in Kombination mit einem schwachen Wirtschaftswachstum einen effizienteren Öleinsatz noch dringlicher machten. Ein wichtiger Aspekt ist, dass sich das Tempo der globalen Effizienzsteigerung beim Ölverbrauch je BIP-Einheit in den letzten Jahren verringert hat.

Weniger Möglichkeiten der Ölsubstitution in den letzten Jahren
Ein wichtiger Grund hierfür geht aus Grafik 8 hervor. Der Anteil der Gesamtnachfrage nach Öl, der auf den Transport entfällt, ist zwischen dem Jahr 1971 und 2008 deutlich von 38% auf 54% gestiegen. Gleichzeitig ist in den Sektoren, in denen Öl durch andere Brennstoffe ersetzt werden kann, der Marktanteil des Ölverbrauchs gesunken. Strom und Gas sind zu wichtigeren Quellen für die Endnutzerenergie in der Industrie und im privaten Bereich avanciert (siehe Grafik 7). In der Stromerzeugung sind Ölkraftwerke nicht ersetzt worden. Der Transport ist ein Endverbrauchersektor, in dem die Substitution von Öl nur sehr eingeschränkt ist. Folglich bestehen insgesamt immer weniger Möglichkeiten der Substitution von Öl. Folglich werden Veränderungen der Wirtschaftsaktivität auf der Nachfrageseite geringere Anpassungen hervorrufen als in der Vergangenheit.
Unsere Analyse führt uns zu dem Schluss, dass die Ölnachfrage 2009 sinken wird. Zwar gehen wir derzeit davon aus, dass dieser Rückgang stärker ausfallen wird als vielfach prognostiziert, doch sind auch die Prognosen jener Marktbeobachter, die einen vollständigen Zusammenbruch der Nachfrage prognostizieren, mit Vorsicht zu genießen. Die konjunkturelle Verlangsamung könnte durchaus deutlicher zutage treten als zunächst angenommen. Wir haben aber festgestellt, dass sich die Reaktion der Nachfrageseite auf Veränderungen der Wirtschaftstätigkeit in den letzten Jahrzehnten verringert hat, da signifikante technologische Verbesserungen erzielt wurden und sich Möglichkeiten der Substitution von Öl aufgetan haben. In der jetzigen Situation sind diese Möglichkeiten jedoch weniger stark vorhanden. Wir werden auf die Folgen der Wirtschaftsaktivität auf die Ölnachfrage im weiteren Jahresverlauf zurückkommen, wenn neue Daten vorliegen.