Höhere Ölpreise trotz unveränderter OPEC-Quoten

Unsere Prognose eines WTI-Ölpreises von 70 $/Barrel zum Jahresende basiert hauptsächlich auf der Einschätzung, dass die derzeitige Förderpolitik der OPEC zu einer ausreichenden Verknappung der globalen Lagerbestände führen wird, um Preissteigerungen zu bewirken, und dass die OPEC eine Überhitzung des Ölpreises abwenden kann, indem sie ihre Produktionskürzungen im späteren Jahresverlauf partiell wieder zurücknimmt.
Warum die Ölpreise nach der OPEC-Entscheidung gegen eine Quotensenkung (und damit gegen eine Vorziehen des Zeitpunkts, an dem die Vorräte ihr normales Niveau unterschreiten,) gestiegen sind, leuchtet auf den ersten Blick nicht ein. Unseres Erachtens wird der Ölpreis derzeit durch eine Reihe anderer Faktoren beeinflusst, darunter der US-Dollar, die Aktienmarktperformance und die steigenden Inflationsrisiken aufgrund der quantitativen Lockerung der Geldpolitik. Diese Faktoren haben möglicherweise keine langfristigen Auswirkungen auf den Ölpreis, beeinflussen aber derzeit die Stimmung am Ölmarkt.
Zwischen dem Ölpreis und der Stärke des US-Dollar besteht eine inverse Korrelation. Während sich diese Beziehung zum Jahreswechsel etwas abgeschwächt hatte, wird sie im Zuge der aktuellen Dollar-Abschwächung infolge der aggressiven Lockerung der Geldpolitik in den USA nunmehr wieder bestätigt. Da die geldpolitischen Zügel weltweit gelockert werden, steigen allmählich die Inflationsrisiken. Rohstoffe, insbesondere Gold, gelten als sicherer Hafen in Zeiten hoher Inflation. Wir halten Öl nicht zwangsläufig für einen sicheren Hafen in Phasen höherer Inflation. Allerdings sind die Marktentwicklungen in der Vergangenheit tendenziell diesem Zusammenhang gefolgt.

Die positive Korrelation zwischen Ölpreis und Aktienperformance ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass sich die Entwicklung der globalen Wirtschaftstätigkeit gleichermaßen auf den Ölverbrauch und die Unternehmensbewertungen auswirkt. Die US-Aktienindizes haben jüngst einen kräftigen Anstieg verzeichnet, der hauptsächlich auf bessere Bewertungen im Finanzsektor zurückgeht. Da zunehmend der Eindruck entsteht, dass die Banken allmählich wieder bereitwilliger Kredite bewilligen können, wird auch von einem wachsenden Ölverbrauch (bzw. von einer nachlassenden Nachfrageschwäche) ausgegangen.

Angesichts der anhaltenden Unsicherheit bezüglich des Ausblicks für die Weltwirtschaft und der Folgen für die Ölnachfrage hält sich die OPEC die Option offen, durch eine Veränderung der Förderquoten ein ihrer Ansicht nach “angemessenes“ Vorratsniveau und entsprechende Preise herbeizuführen. Wir gehen davon aus, dass die Ölpreise zum Jahresende hin höher liegen werden und die OPEC auch zukünftig Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen kann.
Auf einen Blick




© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: ´´Rohstoffe kompakt´´, Commerzbank AG
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