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Industriemetalle: Erholung im zweiten Halbjahr

18.07.2012  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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Aluminium weist langfristig eine relativ hohe Korrelation zu Rohöl auf - diese liegt seit Anfang 2008 auf Tagesbasis bei 0,63 -, und die Energieträger sind untereinander selbst hoch korreliert.

Zum anderen wird derzeit in Asien und Europa eine hohe physische Prämie auf den LME-Preis gezahlt, die sogar von Woche zu Woche noch zunimmt. Den Anfang machte der Aluminiumproduzent Rio Tinto Alcan Mitte Mai, der sich mit japanischen Aluminiumkäufern für das dritte Quartal auf eine Prämie von 200-210 USD je Tonne bzw. 10% des damaligen LME-Preises geeinigt hatte. Im zweiten Quartal betrug die Prämie "nur" 115-127 USD je Tonne (Grafik 4).

Der starke Anstieg war u.a. auf eine höhere Nachfrage seitens der Auto- und Bauindustrie zurückzuführen. Zudem konkurriert Japan mit China, da das Reich der Mitte relativ große Mengen an Aluminium importiert, weil die internationalen Preise unter den heimischen Produktionskosten liegen. Aufgrund der hohen Prämien in Japan und anschließend auch in Südkorea, wird mittlerweile auch in China eine Prämie auf den LME-Aluminiumpreis gezahlt.

Diese betrug Anfang Juli Industriekreisen zufolge 230-240 USD je Tonne, nach 195-205 USD je Tonne Ende Juni. Ende Mai hatte die Prämie noch bei 170-180 USD je Tonne gelegen, was die Dynamik dieser Entwicklung verdeutlicht.

In Europa müssen die Aluminiumkonsumenten ebenfalls rekordhohe Prämien in Kauf nehmen. Am physischen Kassa-Markt in Rotterdam betrug die Prämie Handelskreisen zufolge Anfang Juli sogar 240-260 USD je Tonne. Für noch höhere Aluminiumqualitäten müssen sogar Prämien von mehr als 300 USD je Tonne gezahlt werden. In Anbetracht der nach wie vor hohen Aluminiumvorräte - in den Lagerhäusern der LME liegen 4,8 Mio. Tonnen - ist die Entwicklung der Prämien auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Denn das auf dem Papier hohe Überangebot am globalen Aluminiummarkt und die hohen Lagerbestände müssten eigentlich für eine ausreichende Verfügbarkeit und niedrige Prämien sprechen.

Trotzdem ist der physische Aluminiummarkt in einigen Regionen äußerst angespannt. Dies ist in erster Linie auf das Verhalten der Lagerhausbetreiber zurückzuführen. Denn die aktuell gültigen Regeln der LME gestehen den Betreibern zu, täglich nur einen kleinen Teil ihrer Lagerbestände ausliefern zu müssen - deutlich weniger als normalerweise eingeliefert wird. Über die Minimummenge hinaus besteht keine Pflicht, weiteres Material dem Markt zur Verfügung zu stellen.

Da jedoch aktuell viel Material zur Auslieferung angefordert wird - die Anzahl der gekündigten Lagerscheine liegt mit 1,78 Mio. Tonnen (Grafik 5) fast auf Rekordhoch -, hat sich ein langer Rückstand gebildet. Vor dem Hintergrund des vorhandenen Regelwerks und unter der Annahme, dass kein neues Material in die Lagerhäuser eingeliefert wird, kann es daher Monate, in manchen Fällen sogar Jahre dauern, bis die Lagerbestände abgebaut sind.

Die LME hat sich bislang trotz starker Kritik kaum zu Änderungen im Regelwerk durchringen können. Daher dürfte sich an der künstlich geschaffenen Knappheit am physischen Aluminiummarkt zunächst nichts ändern und die Prämien weiter hoch bleiben bzw. sogar noch steigen. Der physische Aluminiummarkt dürfte somit weiter von den Fundamentaldaten entkoppelt bleiben.

Der Aluminiumpreis dürfte trotz des hohen Überangebots am Markt dank der wieder freundlicheren Stimmung im Jahresverlauf zulegen können. Ende des Jahres sehen wir den Preis bei 2.150 USD je Tonne. Trotz der o.a. Sonderfaktoren ist nach wie vor ein Großteil der Aluminiumproduzenten unrentabel, so dass es schlussendlich doch zu Produktionskürzungen kommen sollte, die den Preis auch fundamental unterstützen dürften.

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Kupfer:

Die Situation am globalen Kupfermarkt ist fast spiegelbildlich zu der bei Aluminium. Gemäß Daten der International Copper Study Group (ICSG) übertraf im ersten Quartal dieses Jahres die Nachfrage das Angebot um 273 Tsd. Tonnen. Im selben Zeitraum des Vorjahres bestand ein Angebotsdefizit von nur 13 Tsd. Tonnen. Für das Gesamtjahr erwartet die ICSG weiterhin ein im Vorjahresvergleich unverändertes Angebotsdefizit von 237 Tsd. Tonnen. So manch anderer Marktteilnehmer rechnet sogar mit einem deutlich höheren Defizit für 2012.

Neben einer trotz Schuldenkrise weiterhin robusten Nachfrage spielen hier vor allem die strukturellen Angebotsprobleme eine große Rolle. Dabei sind folgende Faktoren zu nennen: (1) deutlich rückläufige Metallgehalte in den Erzen; (2) Verlagerung des Kupferabbaus von oberirdischen Minen (open pit) hin zu Untertage (underground mining), da die Minen immer tiefer werden und wodurch die Produktionskosten steigen; (3) neue Ressourcen werden überwiegend in politisch instabilen Ländern gefunden, in denen die Minengesellschaften der Vertragswillkür des jeweils gerade herrschenden Regimes ausgesetzt sind und daher keine Planungssicherheit haben; (4) fehlende Infrastruktur, die u.a. die Kapitalintensität neuer Projekte merklich erhöht; (5) kurzfristige Aspekte wie z.B. Streiks und schlechte Wetterbedingungen.

Als Beispiel sei an dieser Stelle Codelco, der weltweit größte Kupferproduzent, erwähnt, der unter mehreren der o.g. Faktoren leidet. Das staatliche Unternehmen musste gemäß Regierungsdaten in den ersten fünf Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Kupferproduktion um 7,5% auf 634 Tsd. Tonnen hinnehmen. Und auch Sambia, der größte afrikanische sowie am stärksten aufstrebende Kupferproduzent, musste für denselben Zeitraum ebenfalls einen Rückgang in ähnlicher Größenordnung auf rund 360 Tsd. Tonnen vermelden (Grafik 7).

Für zumindest mittelfristig etwas Entspannung könnte die Inbetriebnahme neuer bzw. die Erweiterung bestehender Minen sorgen. Insbesondere die „Oyu Tolgoi“-Mine in der Mongolei, bei der mittlerweile Rio Tinto das Ruder übernommen hat, trägt zur Ausweitung des Angebots bei. Diese soll im ersten Halbjahr 2013 die kommerzielle Produktion aufnehmen. Mit einem laut Unternehmensangaben jährlichen Produktionspotenzial von 450 Tsd. Tonnen Kupfer (und 330 Tsd. Unzen Gold) wird "Oyu Tolgoi" zu den weltweit größten Minen zählen. Daher erwartet die ICSG für 2013 zum ersten Mal seit vier Jahren wieder einen Angebotsüberschuss von 360 Tsd. Tonnen.

Ob dieser allerdings nachhaltig ist, scheint fraglich. Denn in Zeiten fallender Preise werden zumeist die geplanten Projekte auf den Prüfstand gestellt. Und nicht selten werden dabei Projekte auf der Zeitachse verschoben oder gar komplett auf Eis gelegt, um Kapital zu konservieren. Eines dieser Großprojekte, das nun auf dem Prüfstand steht, ist die Erweiterung der "Olympic Dam"-Mine in Australien. Der Minenbetreiber BHP Billiton hatte eigentlich vor, die Kapazität auf 750 Tsd. Tonnen Kupfer p.a. zu vervierfachen.

Sollte dieses Vorhaben jetzt nicht realisiert werden – die Entscheidung darüber fällt bis Jahresende –, würde dem Markt ab Ende 2013 dringend benötigtes Angebot fehlen. Dies hätte zwar kurzfristig gesehen kaum Auswirkungen auf die Preise, dafür aber langfristig umso mehr.

Kupfer weist u.E. nach wie vor das angespannteste Angebots-Nachfrage-Verhältnis auf. Da wir nicht von einer globalen Rezession ausgehen, erwarten wir keinen Einbruch des Kupferpreises. Im Gegenteil, bis Jahresende sehen wir einen moderaten Preisanstieg auf 8.300 USD je Tonne im vierten Quartal.

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