“Spannungsloser“ Stromhandel auch dank billiger Kohle

Auch Chinas Importe dürften nach der momentanen Flaute wieder etwas stärker zunehmen: Ausschlaggebend hierfür dürfte weniger eine deutliche Beschleunigung der Nachfrage als vielmehr eine Produktionsschwäche im eigenen Land sein. Bereits im letzten Jahr war die Kohleproduktion laut Einschätzung von China’s Coal Industry Association (CCIA) erstmals seit 14 Jahren rückläufig. Schließlich stehen die Produzenten aufgrund der nach wie vor günstigeren internationalen Preise massiv unter Druck.
Bereits im letzten Jahr haben laut CCIA wohl bereits 70% der Kohleproduzenten Verluste gemacht. Zwar haben sich Kohleproduzenten und Versorger in manchen Regionen bereits auf niedrigere Kontraktpreise im laufenden Jahr geeinigt. Dennoch bleibt Kohle in China noch immer 10% teurer als am internationalen Markt. Greift die Regierung nicht durch erneute Importbeschränkungen in den Markt ein, so dürfte in den Küstenregionen der Importsog wieder anziehen.
Wir hatten zwar in unserem Jahresausblick vor einem erneuten Preisrutsch am Kohlemarkt gewarnt, dessen Ausmaß aber bei weitem unterschätzt. Wir nehmen deshalb unsere Preisprognose noch einmal deutlich nach unten. Auch das Erholungspotenzial haben wir aufgrund der unsicheren Nachfragesituation in China nach unten revidiert. Wir erwarten nun, dass der Preis auch auf Jahresfrist unter 70 USD per Tonne verharrt und erst im nächsten Jahr noch etwas weiter anzieht.
Emissionshandel: Kurzfristig Rückschlaggefahr, langfristig weiter aufwärts
Im Fokus des Emissionshandels steht der politische Entscheidungsprozess bezüglich der Einführung der Marktstabilitätsreserve (MSR) sowie die Überführung der derzeit im "Backloading" zurückgehaltenen 900 Mio. Zertifikate in eben diese (Erläuterung der MSR siehe übernächster Absatz). Damit würde verhindert, dass zum Ende der dritten Handelsperiode im EU ETS der kumulierte Überschuss wieder massiv anschwellen und entsprechend den Preis erneut unter Druck setzen würde. Die Aussicht auf zeitige strukturelle Reformen hatte dem CO2-Preis in den letzten Monaten kräftig Aufwind gegeben (Grafik 5).
Nachdem soeben der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments einem frühen Start der MSR im Jahr 2018 zugestimmt hat, startet nun der Trilog-Prozess zwischen EU-Kommission, EU-Mitgliedsländern und EU-Parlament. Wir bleiben überzeugt, dass der politische Rückenwind für Strukturreformen hoch ist. Schließlich sind höhere CO2-Preise bzw. entsprechend höhere Erlöse in den Auktionen nicht nur in den Haushaltsplänen der Mitgliedsländer eingestellt. Darüber hinaus steht im Dezember die UN-Weltklimakonferenz in Paris an, auf der ein neues Klimaschutzabkommen verabschiedet werden soll. Der EU, die sich selbst als Vorreiter für den Klimaschutz sieht, dürfte es ein Anliegen sein, in Vorlage zu gehen.
Die Marktstabilitätsreserve (MSR)
Die Marktstabilitätsreserve soll das Angebot an Zertifikaten in Versteigerungen nach fester Regel steuern: Ab Mai 2017 soll die Gesamtzahl der im Umlauf befindlichen Zertifikate regelmäßig veröffentlicht werden. Das ist die Differenz zwischen den seit Januar 2008 ausgegebenen Emissionen plus den internationalen Emissionsgutschriften abzüglich der verifizierten Emissionen. Übersteigt der kumulierte Überschuss 833 Mio. Zertifikate, werden im Folgejahr 12% des Überschusses in die MSR überführt. Ist der kumulierte Überschuss geringer als 400 Mio. Zertifikate, werden im Folgejahr 100 Mio. Zertifikate aus der Reserve hinzuzugeben. Die Zahlen gelten als eine Indikation für einen funktionierenden Markt. Der dauerhaft verbleibende Überschuss soll der Hedging-Nachfrage des Stromsektors entsprechen.

Rückschläge in der Preiserholung sind dennoch nicht auszuschließen. Momentan ist beispielweise der Preis unter Druck, weil in Erwartung des positiven Votums des Umweltausschusses der Preis im Vorhinein bereits kräftig gestiegen war. Eine Korrektur droht auch im Frühjahr, denn die EU dürfte für das Jahr 2014 abermals einen deutlichen Rückgang der verifizierten Emissionen berichten. Schließlich war die Produktion in den erfassten Wirtschaftszweigen rückläufig.
Ins Gewicht fällt vor allem das Minus in der Energieversorgung, auf die immerhin 70% der verifizierten Emissionen entfallen. Im letzten Jahr lag die Produktion im Energiebereich rund 5% unter der im Vorjahreszeitraum (Grafik 6). Mehr noch: der Vormarsch der erneuerbaren Energien hat dazu geführt, dass die Stromproduktion aus Kohle überproportional gefallen ist. In Deutschland beispielsweise, das gut ein Viertel der CO2-Emissionen der im EU ETS erfassten Anlagen verantwortet, schrumpfte 2014 nach Zahlen des Fraunhofer ISE Instituts die Stromproduktion aus Steinkohle um mehr als 10% gegenüber Vorjahr, die aus Braunkohle immerhin noch um 3%.
Die AG Energiebilanzen schätzte deshalb Ende letzten Jahres, dass der energiebedingte CO2-Ausstoß in Deutschland erstmals seit 2009 um 5% zurückgegangen sei. Der leichte Produktionsanstieg in einigen Industriesektoren - die Stahlerzeugung wuchs um 3%, die Aluminiumherstellung um gut 4%, die Zementproduktion sogar um fast 5% - kann dies kaum kompensieren, zumal die ebenfalls im EU ETS erfasste Raffinerieerzeugung wiederum um rund 2% gesunken ist.
Alles in allem dürften folglich die verifizierten Emissionen im letzten Jahr deutlich gesunken sein, und zwar stärker als der Reduktionsfaktor für die Obergrenze der Emissionen vorgibt (in der 3. Handelsperiode sinkt diese jährlich um 1,74%). Wären also nicht 400 Mio. Zertifikate via "Backloading" zurückgehalten worden, wäre der akkumulierte Überschuss, der sich bereits Ende 2013 auf gut 2,1 Bio. Zertifikate belief, erneut gestiegen. Solche Nachrichten könnten den Preis nochmals unter Druck setzen, bevor er unseres Erachtens langfristig politisch getrieben weiter steigen wird.