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Energie - Ausblick 2016: Angebotsflut geht zurück

09.12.2015  |  Eugen Weinberg (Commerzbank)
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Die jüngste Ablehnung der Keystone-XL-Pipeline durch US-Präsident Obama dürfte keine negativen Auswirkungen haben, da es inzwischen zahlreiche alternative Pipelineprojekte gibt, um das Rohöl von den Ölsandfeldern Albertas in den Mittleren Westen der USA oder an beide kanadische Küsten zu transportieren. Die Nordseeproduktion soll im nächsten Jahr ihren kurzzeitig unterbrochenen Rückgang wieder aufnehmen.

In anderen wichtigen Förderregionen wie in Mexiko, am Kaspischen Meer oder in China ist dagegen kein nennenswerter Produktionsrückgang zu erwarten. In Brasilien soll die Ölproduktion 2016 sogar leicht steigen, was allerdings auch mit einer höheren Ethanolproduktion zu tun hat. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die umfangreichen Kürzungen bei den Investitionen seitens der großen Ölkonzerne zu einem Rückgang der Ölproduktion auch außerhalb der USA führen. Laut IEA sollen die Investitionen in diesem Jahr um mehr als 20% gekürzt worden sein und im nächsten Jahr nochmals rückläufig sein.

Durch den Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots dürfte sich das Überangebot am Ölmarkt im nächsten Jahr sukzessive verringern. Der Bedarf an OPEC-Öl steigt 2016 laut Schätzung der IEA auf durchschnittlich 31,3 Mio. Barrel pro Tag. Das ist nur etwas weniger als die derzeitige Fördermenge der OPEC. Behält die OPEC ihr gegenwärtiges Produktionsvolumen aufrecht, wäre der globale Ölmarkt ab Mitte 2016 sogar leicht unterversorgt.

Diese Perspektive spricht für moderat steigende Preise im nächsten Jahr. Wir rechnen daher mit einem Preisanstieg bei Brent auf 63 USD je Barrel und bei WTI auf 60 USD je Barrel bis Ende 2016. Ein stärkerer Preisanstieg würde die US-Schieferölproduktion wieder lukrativ machen und hätte somit einen Anstieg des Ölangebots zur Folge. Er wäre somit nicht dauerhaft.

Eine große Unbekannte im kommenden Jahr ist, wie schnell der Iran nach einer Aufhebung der Sanktionen sein Ölangebot ausweiten wird (Grafik 4). Eine für uns realistische Steigerung der iranischen Ölexporte um 500 Tsd. Barrel pro Tag dürfte bereits eingepreist sein. Schließlich geriet der Ölpreis nach der Einigung auf ein Atomabkommen im Juli stark unter Druck. Bei einer stärkeren Angebotsausweitung würde das Überangebot für längere Zeit bestehen bleiben und sich damit die Preiserholung weiter verzögern. Denn es ist unwahrscheinlich, dass die anderen OPEC-Länder freiwillig ihre Produktion zugunsten des Iran reduzieren.

Die Lagerbestände von Rohöl und Ölprodukten in den OECD-Ländern waren laut IEA Ende September auf ein Rekordniveau von nahezu 3 Mrd. Barrel an gestiegen (Grafik 5). Das deckt den Ölbedarf in den OECD-Ländern für mehr als zwei Monate und stellt einen Puffer im Falle von unplanmäßigen Angebotsausfällen dar. Die unsichere Lage in Nordafrika und im Nahen Osten kann jederzeit dazu führen, dass es zu Lieferunterbrechungen kommt. Ein Paradebeispiel hierfür ist Libyen, wo die Ölproduktion aufgrund der angespannten Sicherheitslage seit nunmehr zwei Jahren stark beeinträchtigt ist. Insbesondere die Ölproduktion im Irak muss wegen der Präsenz der Terrormiliz IS in weiten Landesteilen nach wie vor als risikobehaftet gelten.

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Ölprodukte - Diesel im Überfluss, Benzin stark gefragt

Das Angebot an Mitteldestillaten ist zu Winterbeginn mehr als reichlich. Zwischen Februar und August stiegen die Vorräte in den OECD-Ländern laut IEA um mehr als 84 Mio. Barrel und erreichten Ende August mit knapp 600 Mio. Barrel das höchste Niveau seit dem Jahr 2010. Ende September lagen sie trotz eines leichten Rückgangs 36 Mio. Barrel über dem jahreszeitüblichen Niveau (Grafik 6). Daran hat sich bis zuletzt nichts geändert. Die ARA-Gasölbestände liegen aktuell nicht weit vom Anfang Oktober erreichten Rekordniveau. Das Überangebot an Mitteldestillaten wird durch hohe Netto-Exporte aus den USA und China gespeist (Grafik 7).

Diese beiden Länder haben ihre Rohölverarbeitung deutlich ausgeweitet, um die steigende Benzinnachfrage zu befriedigen. Da die Destillatenachfrage deutlich verhaltener ist, steht entsprechend mehr Diesel für den Export zur Verfügung. An dieser Situation dürfte sich 2016 wenig ändern. Denn die Automärkte in den USA und China sind stark benzinlastig. Es wird also weiterhin viel Benzin produziert und das überschüssige Diesel exportiert. Darüber hinaus wird die Dieselnachfrage in China von der nachlassenden Dynamik der Industrieproduktion belastet.

Aufgrund von El Niño sagen Meteorologen zudem einen vergleichsweise milden Winter auf der Nordhalbkugel voraus, was den Heizölbedarf in den USA und Europa geringer ausfallen lassen dürfte als normalerweise üblich. In Europa ist dagegen fast jedes zweite Auto dieselbetrieben. Der VW-Abgasskandal könnte das Interesse an Dieselautos bremsen. Eine Abschaffung des Steuervorteils für Diesel hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die zukünftige Nachfrage nach Dieselautos in Europa.

Bis die Dieselnachfrage darauf reagiert, würden allerdings einige Jahre vergehen. Deutlich robuster stellt sich die Nachfragesituation bei Benzin dar. Das dritte Quartal 2015 sah die stärkste Benzinnachfrage in den OECD-Ländern seit mehr als 10 Jahren, wofür insbesondere die USA verantwortlich zeichneten. Die US-Benzinnachfrage profitiert dabei von den deutlich niedrigeren Benzinpreisen und der verbesserten Lage am Arbeitsmarkt. Dadurch begünstigt ziehen auch die Fahrzeugabsätze massiv an. Dies gilt insbesondere für Fahrzeuge mit einem hohen Benzinverbrauch wie SUVs. Daran dürfte sich auch 2016 kaum etwas ändern, zumal die Finanzierungsbedingungen trotz steigender US-Leitzinsen günstig bleiben werden.

Folglich sollte die Benzinnachfrage in den USA ihren Aufwärtstrend fortsetzen, wenn auch mit gemäßigterem Tempo, da die Benzinpreise im nächsten Jahr wieder steigen dürften. In China hat die Dynamik bei den Autoverkäufen in diesem Jahr spürbar nachgelassen, was sich bremsend auf die Benzinnachfrage auswirken dürfte. Die Benzinnachfrage in China sollte angesichts der wachsenden Fahrzeugflotte und steigender Einkommen dennoch weiter steigen. Trotz der robusten inländischen Nachfrage treten sowohl die USA als auch China als Netto-Exporteure von Benzin auf.

In China sind die Verarbeitungskapazitäten stärker gestiegen als die Nachfrage. In den USA können die Raffinerien mit dem Export von Benzin die Beschränkungen für den Export von Rohöl umgehen. Dadurch steigt das Benzinangebot auf dem Weltmarkt, worunter insbesondere die Raffinerien in Europa zu leiden haben. Aufgrund des von uns erwarteten Ölpreisanstiegs prognostizieren wir einen Anstieg des Dieselpreises auf 580 USD je Tonne bis Ende 2016. Bei Benzin sehen wir aufgrund der stärkeren Fundamentaldaten etwas mehr Aufwärtspotenzial und auf Sicht von 12 Monaten einen Preis von 620 USD je Tonne.

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