Energie - Ausblick 2016: Angebotsflut geht zurück

Das Jahr 2015 verlief am US-Gasmarkt bis zum Herbst sehr ruhig: der Preis schwankte überwiegend in der Spanne zwischen 2,5 USD bis 3 USD je mmBtu. Anfang Oktober geriet der US-Gaspreis dann aber stark unter Druck und mit 2,1 USD je mmBtu ist Gas zu Beginn des Winters so günstig wie zuletzt im Frühjahr 2012. Ausschlaggebend sind rekordhohe US-Lagerbestände. Denn in diesem Jahr waren die Vorräte zu Jahresbeginn aufgrund milder Temperaturen nur unterdurchschnittlich abgebaut worden. Zudem blieb der turnusmäßige Aufbau zwischen April und November nur knapp hinter dem Rekordaufbau des Vorjahres zurück (Grafik 8).
Maßgeblich war eine überraschend hohe Produktion, die trotz stark gefallener Bohraktivität bis zuletzt immer mehrere Mrd. Kubikfuß über dem Vorjahresniveau lag. Das nun von der US-Energiebehörde EIA geschätzte Produktionsplus im laufenden Jahr von 6,3% fällt somit mehr als doppelt so hoch aus wie Ende letzten Jahres erwartet. Insbesondere die Schiefergasproduktion erweist sich als sehr robust. Im Juni wurde ein neues Rekordhoch erreicht. Seitdem sind dank noch immer hoher Produktivitätsfortschritte nur leichte Ermüdungserscheinungen zu erkennen (Grafik 9). Damit konnte auch eine sehr kräftige Nachfrage der Stromerzeuger gut bedient werden.
Hohe Temperaturen im Sommer und ein entsprechender Klimatisierungsbedarf sowie die Schließung einiger Kohlekraftwerke ließen den Bedarf der Versorger, auf die knapp ein Drittel des US-Gasverbrauchs entfällt, um 17% steigen. Der nationale Wetterdienst NOAA rechnet aufgrund des Wetter-Phänomens El Niño mit überdurchschnittlichen Temperaturen in diesem Winter und entsprechend geringerem Heizbedarf.
Auch der Bedarf der Stromerzeuger dürfte 2016 kaum mehr so hoch ausfallen wie im Vorjahr. Nur in der Industrie rechnet die EIA mit einem Nachfragezuwachs von gut 4%, weil vor allem in der Chemischen Industrie einige neue Anlagen in Betrieb genommen werden. Der Abbau der Vorräte sollte entsprechend geringer ausfallen als üblich.
Und die Nachfrageperspektiven sind nicht nur im Inland verhalten, auch das internationale Umfeld belastet. Denn das neue Absatzpotenzial für US-Gas, das sich mit der für Ende des Jahres geplanten Inbetriebnahme der ersten Trasse des Sabine Pass LNGVerflüssigungsterminal öffnet, ist momentan wenig verheißungsvoll. Die Verträge sind für zwar für 80% des LNG-Exportvolumens bereits geschlossen und basieren überwiegend auf einer Formel für Henry Hub.
Aber zusätzliche Perspektiven bieten sich angesichts des Preisverfalls am asiatischen LNG-Markt wenig: zum einen lastet der Ölpreisverfall auf den überwiegend Ölpreis-indexierten LNG-Preisen in Asien und zum anderen werden die Kapazitäten für Verflüssigung nicht nur in den USA, sondern vor allem auch in Australien massiv ausgebaut, wobei die US-Produzenten aufgrund des starken US-Dollar preislich weniger wettbewerbsfähig sind.
Alles in allem haben wir deshalb unsere Preisprognose deutlich nach unten revidiert. Ein neues Tief bei den Gaspreisen unterhalb von 2 USD je mmBtu ist kurzfristig nicht auszuschließen, sollte der Winter tatsächlich mild ausfallen. Im Jahresverlauf rechnen wir gleichwohl mit einer Preiserholung. Denn die geringere Bohraktivität wird zunehmend Bremsspuren bei der USGasproduktion hinterlassen. Wir sehen den Preis für Gas der Sorte Henry Hub im Herbst bei und in der zweiten Jahreshälfte auf Ende 2016 auf 3 USD je mmBtu.

Schwache Glut am Kohlemarkt
Das fünfte Jahr in Folge standen die Kohlepreise 2015 unter Druck. Mit knapp 47 USD je Tonne notiert der nächstfällige Kohlekontrakt 30% niedriger als zu Jahresbeginn bzw. 65% niedriger als im Hoch Anfang 2010. Mehr noch: die Terminkurve fällt bis zum Jahr 2018. Der Markt rechnet also auch langfristig mit fallenden Kohlepreisen.
Zumindest auf kurze Sicht ist dieser "Pessimismus" gerechtfertigt. Denn ein schwacher Bedarf großer Importländer bei noch immer hohen Exporten wird die Kohlepreise wohl vorerst in Schach halten. Vor allem in China ist die Importnachfrage weggebrochen. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres waren die Nettoimporte des zuletzt größten Kohleimporteurs der Welt 30% niedriger als im Vorjahr (Grafik 10).
Der geringe Kohlebedarf war zwar teilweise einem Einmaleffekt zuzuschreiben, denn dank außergewöhnlich starker Regenfälle konnte deutlich mehr Elektrizität aus Wasserkraft gewonnen werden. Eine Normalisierung der Wetterverhältnisse spräche ebenso für eine Erholung der Nachfrage wie die Tatsache, dass Kohlekraft in China wichtigste Energiequelle bleibt und Kraftwerkskapazitäten von knapp 125 Gigawatt im Bau oder genehmigt sind. Viel mehr als eine leichte Erholung der Importnachfrage ist kurzfristig aber nicht zu erwarten. Denn die Abschwächung der chinesischen Wirtschaftsdynamik und Chinas Ambitionen, der Luftverschmutzung entgegenzuwirken, dämpfen die Erholung der Kohlenachfrage.
In Indien wächst die Kohlenachfrage zwar kräftig. Um die Elektrifizierung des Landes voranzutreiben und den 300 Mio. noch unzureichend mit Strom versorgten Menschen stabilen Zugang zu Elektrizität zu verschaffen, sind 114 Gigawatt an neuen Kohlekraftwerkskapazitäten im Bau oder genehmigt. Kurzfristig bleiben aber auch hier die Einfuhren hinter den Erwartungen zurück, weil in Indien momentan deutlich Produktion steigt. Die enttäuschenden Kohleeinfuhren in den Schwellenländern können auch nicht durch ein Plus in den Industrieländern ausgeglichen werden, schließlich schreitet in Europa der Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter voran, während in Japan die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken dämpft.
Gleichzeitig steht der schwachen Importnachfrage ein trotz massiven Preisverfalls robustes Exportangebot gegenüber. Denn in vielen wichtigen Produzentenländern wurde der Preiseinbruch durch die Abwertung der heimischen Währung abgefedert (Grafik 11). In Australien beispielsweise fiel der Preisrückgang in heimischer Landeswährung nur halb so hoch aus. Australiens Kohlexporte erweisen sich deshalb als robust, ebenso wie die aus Kolumbien, Südafrika und Russland.
Im wichtigsten Exportland der Welt, Indonesien, schrumpfen die Exporte leicht, weil der heimische Bedarf steigt und im wichtigsten Absatzmarkt China die Qualitätsanforderungen an die importierte Kohle steigen. Nur in den USA fällt die Produktion mit -9% deutlich. Der rückläufige Kohlebedarf der heimischen Stromerzeuger und der wechselkursbedingte Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bei den Exporten sind dafür maßgeblich.
Die Aussichten für den Kohlemarkt bleiben zunächst trüb. Wir sehen den Kohlepreis in der ersten Jahreshälfte unter 50 USD je Tonne verharren. Aber vor allem für China gilt, dass die niedrigen Weltmarktpreise Importkohle attraktiver machen bzw. heimische Produzenten zu Förderkürzung zwingen. Sobald sich Chinas Importnachfrage etwas erholt und Indiens Nachfrage schneller wächst als die heimischen Kapazitäten ausgebaut werden können, dürften sich die Preise erholen. Ende des Jahres dürfte Kohle wieder 55 USD je Tonne kosten.
