Ausblick 2018 - US-Schiefer-Revolution, die Zweite

Gas der Sorte Henry Hub ist einer der wenigen Rohstoffe und der einzige Energierohstoff, der zum Jahresende billiger ist als zu Jahresbeginn. Das ist allerdings vor allem dem hohen Preisniveau vor einem Jahr geschuldet, als eine kräftige Nachfrage auf eine erstmals seit zehn Jahren fallende Produktion getroffen war. Doch seitdem haben die Tendenzen gedreht: Die Gasproduktion passierte schon im Januar die Talsohle und erreichte nach einer rasanten Erholung im Oktober ein neues Rekordhoch.
Gleichzeitig sank die Nachfrage aus dem Stromsektor, der mittlerweile mehr als ein Drittel der US-Gasnachfrage ausmacht. Hohe Preise ließen den Beitrag der Gaskraft an der Stromerzeugung um fast drei Prozentpunkte fallen, nachdem er sich in den fünfzehn Jahren zuvor fast stetig auf 34% mehr als verdoppelt hatte.
Das kräftige Angebotswachstum im nunmehr größten Produzentenland der Welt dürfte sich bis auf Weiteres fortsetzen, denn die Schiefergasproduktion, die mittlerweile 60% der US-Erdgasproduktion ausmacht, expandiert wieder kräftig (Grafik 10). Im nächsten Jahr soll die Produktion um rund 7,5% wachsen. Bis 2020 soll die Gasproduktion laut US-Energiebehörde EIA im Trend jährlich um fast 4% steigen. Neben dem stabilen Preisumfeld schiebt der Ausbau der Infrastruktur die Produktion an. So werden im Winter zahlreiche neue Pipeline-Abschnitte in Betrieb genommen. Besser angebunden wird vor allem die Marcellus-Formation in den Appalachen, wo die Produktion zuletzt besonders schnell gestiegen ist.
Dem kräftigen Produktionswachstum steht 2018 eine spürbare Erholung der Nachfrage gegenüber: Nach einem Minus von 2,7% im laufenden Jahr soll diese laut EIA um gut 5% zulegen. Alle Sektoren werden wohl mehr nachfragen: Die Versorger, weil Gas nicht nur absolut, sondern auch relativ zu Kohle günstiger geworden ist; die Industrie dank einer robusten Konjunktur und die privaten Haushalte aufgrund eines im Vergleich zum Vorjahr kälteren Winters. Dennoch wird das Wachstum der heimischen Nachfrage nicht ausreichen, die höhere Produktion zu absorbieren. Dass der Gaspreis unseres Erachtens dennoch stabil bleibt, ist vor allem der Erschließung neuer Absatzmärkte zu verdanken.
Bereits im laufenden Jahr wurde die USA erstmals seit 60 Jahren Nettoexporteur. Das war zunächst vor allem den gestiegenen Pipeline-Exporten (primär nach Mexiko) bei gleichzeitg gefallenen Pipeline-Importen (primär aus Kanada) zu zuschreiben. Die Netto-Importe via Pipeline haben sich folglich in den letzten vier Jahren halbiert (Grafik 11). Seit Inbetriebnahme des Sabine Pass Terminals im Jahr 2016 ist der LNG-Export (verflüssigtes Erdgas) rapide gewachsen.
In den kommenden Jahren werden noch weitere Terminals eröffnet. Ende 2019, wenn alle derzeit im Bau befindlichen LNG-Projekte abgeschlossen sind, können bis zu 9,6 Mrd. Kubikfuß täglich verflüssigt werden. Die USA werden dann weltweit über die drittgrößten Kapazitäten verfügen, nach Australien und Katar. Doch die neuen Absatzmöglichkeiten für US-Produzenten sind nicht ganz so verheißungsvoll wie es zunächst scheint: Denn der LNG-Markt ist zur Zeit gut versorgt. Schließlich nimmt auch Australien momentan viele neue Kapazitäten in Betrieb. Die Konkurrenz ist also insbesondere in Asien, dem größten LNG-Absatzmarkt, groß.
Viel Auftrieb für die Preise geben also die neuen Möglichkeiten nicht, aber immerhin sollten sie ein nachhaltiges Abrutschen der Preise verhindern, das ansonsten angesichts der rasanten Produktionszuwächse drohen würde. Wir sehen den Preis für Henry Hub im nächsten Jahr stabil um 3 USD je mmBtu schwanken.

Kohle: Ungeliebt, aber dennoch teuer
Als gäbe es die vielerorts geführte Diskussion um den Kohleausstieg nicht, hat sich der Energieträger in diesem Jahr wieder massiv verteuert: Mit knapp 95 USD je Tonne notierte der nächstfällige Kohle-Future an der ICE Anfang November so hoch wie zuletzt vor fünf Jahren. Seitdem hat der Preis zwar etwas nachgegeben, notiert aber noch immer bei 90 USD. Maßgeblich für die Preisentwicklung am Markt für seewärtig gehandelte Kohle ist nun schon seit Jahren der Importbedarf des mit Abstand größten Produzenten- und Konsumentenland der Welt: China. Hier hatten die Einfuhren in der zweiten Jahreshälfte 2017 nochmals überraschend deutlich angezogen (Grafik 12).
Die Ursachen waren jedoch anders als im Vorjahr nicht ausschließlich Restriktionen auf der Angebotsseite, auch die Nachfrage überraschte dank einer kräftigen Konjunktur positiv. Den Schub des auslaufenden Jahres erachten wir allerdings nicht als nachhaltig. Denn Chinas Kohlebedarf dürfte strukturell den Zenit überschritten haben. Zum einen bremst der Strukturwandel weg von der Schwerindustrie hin zu einer mehr dienstleistungsorientierten Gesellschaft, was den Energiehunger dämpft.
Zum anderen versucht Chinas Regierung, aus umweltpolitischen Gründen die Bedeutung von Kohle im Energiemix zu reduzieren: Der Zubau an Kohlekraft wurde schon in den letzten Jahren reduziert. Seit 2013 wurden mehrheitlich Photovoltaik, Wind-, Wasser- und Atomkraft zugebaut (Grafik 13). Zudem sind die neuen Kohlekraftwerke fast zur Hälfte mit hocheffizienter Technologie ausgestattet und ersetzen teilweise alte Kraftwerke. Schwieriger abzuschätzen ist dagegen das künftige Tempo, in dem Chinas Regierung die Konsolidierung im Kohlebergbau vorantreibt. Noch immer sind die Überkapazitäten, die in den Boomjahren bis 2015 entstanden waren, nicht abgebaut.
Seit Anfang 2016 wurden Kapazitäten in Höhe von 450 Mio. Tonnen stillgelegt, aber gleichzeitig werden ca. 40 neue Projekte mit einer Gesamtkapazität von 250 Mio. Tonnen p.a. in den nächsten Jahren in Betrieb genommen. Drastisch wirkte die Reduzierung der Arbeitstage, die zu einem deutlichen Einbruch der Kohleproduktion geführt hatte. Diese Regelung wurde aber wieder gelockert und derzeit wächst das Kohleangebot wieder. Wir rechnen folglich mit einem leicht fallenden Importbedarf.
Der Kohleimportbedarf Indiens, des zur Zeit zweitgrößten Konsumenten bzw. Importeurs, ist leicht rückläufig. Die Produktionserfolge im Kohlebergbau lassen zwar nach, halten aber mit dem Nachfragewachstum Schritt, das sich auch aufgrund des massiven Vormarsches der Solarkraft verlangsamt. Auch in der großen Importregion Europa sinkt der Importbedarf an Kohle aufgrund der hohen Preise und des Vormarsches der erneuerbaren Energien weiter. Nur in Japan ist nach der Inbetriebnahme neuer Kraftwerkskapazitäten mit höheren Importen zu rechnen.
Gleichzeitig sind die Perspektiven für die großen Exportländer mit Ausnahme von Indonesien gut. Australien dürfte nach den Ausfällen in diesem Jahr wieder mehr exportieren; ebenso gut sind die Aussichten für Kolumbien und Russland. Schließlich sind die Margen gut, denn die Preise sind hoch, während die Kosten nach den massiven Einsparungen im Zuge des Preisverfalls von 2012 bis 2015 noch immer niedrig sind.
Alles in allem gehen wir davon aus, dass der Markt 2018 sich wieder entspannt. Der Preis für den nächstfälligen Kohlefuture dürfte deshalb im Jahresverlauf auf 80 USD je Tonne zurückfallen.

Emissionshandel: Happy end?
Die massive Preiserholung im EU-Emissionshandel (EU ETS) in der zweiten Jahreshälfte zählt zweifellos zu den großen Überraschungen des Jahres 2017 (Grafik 14): Gegenüber Jahresbeginn hat sich das Recht zur Emission einer Tonne CO2 um fast 18% verteuert. Vom Jahrestief im Juni ist der Preis um mehr als 3 Euro auf zeitweise 8 Euro je Tonne gestiegen. Anders als in den letzten Jahren dürfte die Preiserholung dieses Mal nachhaltig sein. Denn die preistreibenden Impulse gehen sowohl von politischer, als auch von fundamentaler Seite aus.
Das entscheidende Momentum ist die Reform der vierten Handelsperiode, die spätestens im kommenden Frühjahr verabschiedet sein sollte. Wichtig ist und schon lange abgemacht war die Anhebung des linearen Reduktionsfaktors für die jährliche Zertifikatemenge von 1,74% auf 2,2%. Zudem werden ab 2019 jedes Jahr 24% des Überschusses aus dem Markt genommen und in die Marktstabilitätsreserve (MSR) überführt. Überschüssig ist der Markt, wenn der Gesamtüberschuss einen als notwendig erachteten Sockel übersteigt. Bei einem Überschuss von 1,7 Mrd. Zeritifkaten dürfte also die Auktionsmenge 2019 um 400 Mio. Zertifikate reduziert werden (Grafik 15).