Ausblick 2017: Die Rückkehr der OPEC


"Renaissance der (fossilen) Energieträger" ließe sich für das Jahr 2016 auf den ersten Bick titeln, würde man lediglich auf die Preisentwicklung schauen. Schließlich sind Brentöl, US-Erdgas und Kohle zum Jahresende rund 50% teurer als zu Jahresbeginn (Grafik 1). Doch eine gemeinsame Triebfeder wie damals vor mehr als zehn Jahren, als Chinas Urbanisierungs- und Industrialisierungsschub einen fast plötzlichen Nachfrageboom an allen Energiemärkten auslöste, hatten diese Preisanstiege nicht. Gemein ist ihnen lediglich, dass die Preisimpulse an allen Märkten auf der Angebotsseite zu suchen sind.
Am Ölmarkt stand das Jahr 2016 im Bann der OPEC. Denn der Ölpreisverfall auf ein 12-Jahrestief zu Jahresbeginn veranlasste das Ölkartell zu einem erneuten Strategiewechsel: Es war jedoch eine lange Hängepartie, bis das erste Gerücht über Produktionsobergrenzen im Januar zu einer verbindlichen Vereinbarung über Produktionskürzungen wurde. Immerhin schoben die Hoffnungen den Ölpreis zurück in einen Korridor zwischen 45 und 50 USD je Barrel.
Auch am US-Gasmarkt und am Kohlemarkt waren die massiven Preisanstiege Angebotsverknappungen zuzuschreiben. In den USA schwächelte die Schiefergasindustrie (gemeinsam mit der Schieferölindustrie), und erstmals seit 2007 wurde Kohle nach Jahren der Überversorgung plötzlich knapp, weil Chinas Regierung durch drastische Maßnahmen die Konsolidierung im heimischen Kohlebergbau vorantrieb. Damit zog der Importbedarf des Landes, das fast die Hälfte des weltweiten Angebots stellt, plötzlich wieder an. Der folgende Anstieg der Kohlepreise ließ auch die Börsenstrompreise an der European Energy Exchange in Leipzig erstmals seit fünf Jahren wieder kräfig steigen.
Welche Preisgewinne sind gerechtfertigt und dürften sich folglich halten? Welcher Preis ist zu hoch geschossen? Und gibt es vielleicht sogar noch Potenzial nach oben? Das sind die Fragen, denen wir auf den folgenden Seiten im einzelnen nachgehen.

Rohöl: Angebotsverknappung der OPEC kann Ölpreis nur stabilisieren
2016: Nach 12-Jahrestief am Ölmarkt stützt Hoffnung auf Produktionskürzung
Das Jahr 2016 stand fast ausschließlich im Zeichen der OPEC. Das Ölkartell hatte zwar eigentlich auf der viel beachteteten Sitzung im November 2014 de facto seine Rolle als Preisgestalter am Markt abgegeben. Und tatsächlich hatte sich fortan fast jedes OPEC-Mitglied ausschließlich auf die Sicherung seiner eigenen Marktanteile konzentriert und die Produktion ausgeweitet. Als sich im letzten Winter wegen milder Temperaturen auch noch die Nachfrage verlangsamte und die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden, warnte die Internationale Energieagentur, dass der Ölmarkt im Überangebot zu ertrinken drohe (Grafik 2).
Die Ölpreise rutschten Mitte Januar unter 30 USD je Barrel auf ein 12-Jahrestief. Noch im Januar tauchten erste Gerüchte auf, die großen Ölproduzenten könnten ihre Produktion gemeinsam einfrieren. Diese schoben die Preise nach oben, zusätzlich begünstigt durch eine fallende USÖlproduktion und hohe (ungeplante) Produktionsausfällle in Kanada, Nigeria und Libyen kletterte der Brentölpreis im Frühjahr wieder über 40 USD je Barrel. Es folgten Treffen in Doha, in Wien, in Algier und wieder in Wien. Letztlich bewegte sich der Brentölpreis ab Mitte April überwiegend im Korridor zwischen 45 und 50 USD je Barrel.
Erst nach der jüngsten Sitzung scheint sich Öl nachhaltig über 50 USD je Barrel zu etablieren. Denn tatsächlich hat es das Ölkartell nach langem Ringen geschafft, sich auf eine Produktionskürzung von 1,2 Mio. Barrel pro Tag ab Januar 2017 zu einigen. Diese gilt zunächst für sechs Monate, mit der Option, sie um sechs Monate zu verlängern. Mit der Fixierung von Länderquoten und der Einrichtung eines Komitees zu deren Überprüfung hat die OPEC hohe Transparenz geschaffen und somit ihre Glaubwürdigkeit erhöht. In der Vereinbarung heißt es zudem, dass sich auch Nicht-OPEC Länder mit einer Produktionskürzung um weitere 600 Tsd. Barrel pro Tag anschlössen.
2017 droht erstes Angebotsdefizit seit Ende 2013
Die Perspektiven für 2017 haben sich also deutlich verändert. Denn auch ohne die noch eher vagen Kürzungsversprechen der Nicht-OPEC-Länder würde der Ölmarkt bei vollständiger Umsetzung des OPEC-Beschlusses in der ersten Jahreshälfte 2017 erstmals seit Ende 2013 in ein Angebotsdefizit rutschen (Grafik 3). Schließlich würde die OPEC mit einem Schritt 1,2% des weltweiten Ölangebots aus dem Markt nehmen. Die erste Frage, die zweifellos zu stellen ist, ist: wie realistisch ist eine Umsetzung?
Wie diszipliniert ist die OPEC?
Wir gehen mindestens von einer Umsetzung in den ersten Monaten des Jahres aus. Dafür sprechen nicht nur nur die lange Verhandlungszeit, die verbindlichen Länderquoten und das Einsetzen eines Komitees. Dafür spricht auch, dass Saudi-Arabien, das die Hauptlast der Kürzung schultert, wegen des geringeren Eigenbedarfs ohnehin üblicherweise seine Produktion in den Wintermonaten zurückfährt. Die anderen arabischen Golfanrainerstaaten inklusive Irak dürften sich dem anschließen. Lediglich dem Iran, Libyen und Nigeria wurden Ausnahmen zugestanden (Grafik 4, S.3). Auch Länder wie Venezuela, die stark auf eine Abmachung gedrängt haben, dürften ihren (kleinen) Beitrag leisten.
Fraglich ist allerdings, wie lange die Disziplin währt. Das dürfte nicht nur vom Erfolg, sprich Preis abhängen, sondern wesentlich auch vom Verhalten der Nicht-OPEC Länder. Entscheidend ist hier allen voran Russland. Es heißt, das Land würde seine Förderung um 300 Tsd. Barrel pro Tag drosseln. Die Produktionserfolge der jüngsten Vergangenheit lassen aber an der Bereitschaft des mittlerweile weltgrößten Ölproduzenten Zweifel aufkommen: Die russische Ölproduktion klettert derzeit von Rekord zu Rekord und erreichte im November rekordhohe 11,21 Mio. Barrel pro Tag.

Risiko: Russland
Selbst wenn Russland von diesem Niveau um 300 Tsd. Barrel pro Tag kürzen würde, läge die Produktion noch immer deutlich höher als im Sommer. Die Produktionserfolge sind zudem vor allem den privaten Ölunternehmen zu verdanken, die bereits weitere Produktionssteigerungen angekündigt haben. Im nächsten Jahr ist eigentlich eine weitere Steigerung auf 11,7 Mio. Barrel pro Tag geplant. Von daher wäre ein Einfrieren der russichen Produktion auf dem aktuellen Niveau schon als Zeichen des guten Willens zu werten. Kasachstan und Aserbaidschan zählen ebenfalls zu den Ländern, die sich den Kürzungen anschließen wollen, wobei auch Kasachstan seine Förderung dank der Inbetriebnahme des Kashagan-Ölfeldes zuletzt ebenfalls ausweiten konnte. In Summe sollten die ehemaligen Länder der früheren Sowjetunion laut IEA nächstes Jahr immerhin 300 Tsd. Barrel pro Barrel mehr fördern. Sollte diese Länder die OPEC-Kürzung für sich ausnutzen, um eigene Marktanteile auszubauen, wäre zweifellos die Gefahr groß, dass die OPEC- Disziplin nachlässt und Mitglieder den Ölhahn wieder aufdrehen.
In den USA dürfte die Produktion wieder anziehen
Außerhalb der Region „droht“ zusätzliches Öl vor allem aus Nordamerika: in den USA zeichnet sich bereits eine Trendwende ab. Die US-Energiebehörde EIA korrigierte unlängst ihre Produktionsschätzung für August um gut 400 Tsd. Barrel pro Tag nach oben. Noch sind die Erfolge zwar „nur“ im Golf von Mexiko zu verbuchen, während die Schieferölproduktion wohl noch immer fällt. Aber auch hier hat sich das Tempo des Rückgangs bereits merklich verlangsamt. Die EIA rechnet mit einer Trendwende im Frühjahr. Bislang ist sie allerdings bezüglich der erwarteten Produktionssteigerungen noch sehr vorsichtig. Denn die Bohraktivitäten haben schon merklich angezogen. Die Zahl der aktiven Ölbohrungen ist laut dem Öldienstleister Baker Hughes seit einem halben Jahr nahezu ununterbrochen gestiegen (Grafik 5). Die zuletzt deutlich gestiegenen Ölpreise schieben weiter an. Zudem hat der designierte US-Präsident Trump versprochen, die Förderung fossiler Energieträger im eigenen Land zu erleichtern. Das könnte das Investitionsklima in der US-Ölindustrie zusätzlich aufhellen.
Auch für Lateinamerika ist die IEA noch recht optimistisch, dass sich in Brasilien die Erfolge bei der Rohölproduktion wohl noch etwas fortsetzen werden. Dagegen könnte die brasilianische Ethanolproduktion sinken, was das Ölangebot insgesamt wieder etwas dämpfen würde. Einzig China könnte zu einem Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots beitragen. Dort ist die Ölproduktion seit Jahresbeginn aufgrund zu niedriger Preise und staatlicher Anordnungen um 600 Tsd. Barrel pro Tag auf ein 7½-Jahrestief von 3,78 Mio. Barrel pro Tag gefallen.