OPEC noch nicht am Ziel


Eine wichtige Rolle beim Marktausgleich spielt auch die Ölproduktion in den Nicht-OPEC-Ländern und hier insbesondere die Ölproduktion in den USA und Russland. Die IEA hat bei ihrer Schätzung für den Bedarf an OPEC-Öl für Ende 2017 einen Anstieg der Ölproduktion in Nordamerika (neben USA zählen dazu auch Kanada und Mexiko) im zweiten Halbjahr um 400 Tsd. Barrel pro Tag unterstellt. Für Russland und die übrigen Länder der ehemaligen Sowjetunion rechnet die IEA in der zweiten Jahreshälfte mit einem Produktionsanstieg um 100 Tsd. Barrel pro Tag.
Steigt die Ölproduktion in diesen Ländern stärker, sinkt entsprechend der Bedarf an OPEC-Öl, was den gleichen bremsenden Effekt auf den Lagerabbau hätte wie eine steigende OPEC-Produktion. Für die USA und Russland erachten wir einen Produktionsanstieg mindestens in dem o.g. Ausmaß für wahrscheinlich. Die OPEC verliert somit bei einer Verlängerung der Produktionskürzungen bis zum Jahresende Marktanteile an die Nicht-OPECLänder. Dies käme dem Eingeständnis einer Niederlage gleich. Schließlich hatte genau dieser Umstand die OPEC Ende 2014 dazu veranlasst, die Ölproduktion entgegen der vorherigen Gepflogenheit nicht zu kürzen.
Insbesondere in den USA deuten die Anzeichen auf eine starke Ausweitung der Ölproduktion. Die Bohraktivität ist im ersten Quartal 2017 laut Baker Hughes so stark gestiegen wie zuletzt vor fast sechs Jahren. Die US-Energiebehörde EIA berichtet davon, dass die Kapitalinvestitionen von 44 vor allem auf dem US-Festland produzierenden US-Ölunternehmen im vierten Quartal um 72% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Dies war der stärkste Anstieg seit fast fünf Jahren, auch wenn dieser nach dem Einbruch im Jahr 2015 von einer niedrigen Vergleichsbasis erfolgte.
Einer Umfrage der Dallas Fed zufolge ist die Stimmung der Ölunternehmen in den USA im ersten Quartal weiter gestiegen, wobei sich die Verbesserung über alle Bereiche der Umfrage erstreckte. Insbesondere die Öldienstleister berichteten von einem stark anziehenden Geschäft. Diese können als vorlaufender Indikator für die Ölproduktion gelten. Der in der Umfrage weiter gestiegene Produktionsindex deutet laut Dallas Fed auf einen beschleunigten Anstieg der Ölproduktion hin. Es ist daher gut möglich, dass die IEA den Anstieg der US-Ölproduktion in diesem Jahr unterschätzt. Dies gilt erst recht für die EIA, welche einen nennenswerten Anstieg erst im vierten Quartal 2017 und im Jahr 2018 prognostiziert (Grafik 5).
Die Debatte um eine Verlängerung der Produktionskürzungen dürfte die Ölpreise bis zur OPEC-Sitzung Ende Mai unterstützen, so dass wir den Brentölpreis im zweiten Quartal noch oberhalb von 50 USD je Barrel sehen. Da sich Russland und die meisten anderen Nicht-OPEC-Länder nicht mehr an einer Verlängerung beteiligen dürften, stehen die Kürzungen auf einem schmaleren Fundament. Die Einhaltung der Produktionskürzungen durch die einzelnen OPEC-Länder dürfte daher schnell bröckeln, weil diese um ihre Marktanteile fürchten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund einer steigenden Ölproduktion in den USA.
Zwar dürfte Saudi-Arabien versuchen, den Kürzungsbeschluss noch so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, da es im Vorfeld des geplanten Börsengangs seines Ölkonzerns Saudi Aramco im nächsten Jahr an einem stabilen Ölmarkt interessiert ist. Auf Dauer wird Saudi-Arabien aber nicht bereit sein, die Kürzungen im Alleingang mit Leben zu erfüllen. Wir halten daher an unserer Prognose fest, dass der Brentölpreis im Verlaufe des Jahres trotz der zu erwartenden Verlängerung der OPEC-Produktionskürzungen wieder unter Druck gerät und Ende 2017 unterhalb von 50 USD je Barrel fallen wird.
